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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 4
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Giedion, Sigfried: Lebendiges Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0136

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zem Grund tauchen die ruhigen Flächenelemente der Bilder des Holländers Mondrian
auf. Im Hintergrund läßt eine verschiebbare schwarze Platte die Bilder Picassos oder
Legers voneinander isolieren und einzeln betrachten.
Die Lichtzufuhr an der Fensterseite wird durch vertikale weiße Stofflamellen geregelt.
Drehbare Vitrinen, trommelförmig, mit horizontaler Achse — und Bildern von Hans
Arp, Kurt Schwitters und anderen — sind so angeordnet, daß immer nur ein Bild sicht-
bar wird. Seitlich gestattet ein Spiegel, eine Plastik von Archipenko mit einem Blick,
simultan, von vorn und rückwärts zu erfassen.
Es zeigt sich, daß auch Museen keineswegs tote Angelegenheiten sein müssen, es
kommt nur auf die Hand an, die den Griff hat, die Materie zu beleben.
Gerade in Deutschland, in dem lange Zeit der Expressionismus als die neue Malerei
galt, ist es wichtig, daß einmal eine staatliche Stelle sich der Zeit erinnert, in der
wir leben und den ganzen Fragenkomplex aufrollt, den die abstrakte Malerei in sich
schließt1.
Noch im Laufe dieses Jahres wird ein großes Schweriner Kunstinstitut alle Bewegungen,
die das neue Sehen, die neue Optik unserer Zeit gebildet haben, nebeneinander auf-
reihen. Von einer derartig programmatischen Veranstaltung ist eine große Befruchtung
zu erhoffen.
1 Es handelt sich nicht nur um »abstrakte« Malerei allein; es handelt sich um den großen
Komplex des neuen SEHENS unserer Zeit vom Kubismus bis zum Surrealismus. Vor kurzem gab
Ozenfant bei Jean Budry in Paris eine größere Publikation heraus: AR T. Dort wird auf außer-
ordentlich suggestive Weise der innere Zusammenhang dieser Bewegungen mit dem Leben klar-
gemacht, und zwar an Hand raffiniert gewählter photographischer Dokumente. Erinnert sei
auch an das im letzten Jahr herausgekommene Buch von Andre Breton: »LA PEINTURE
SURREALISTE«. Breton, der Wortführer des Surrealismus, ist leider nur schwer lesbar in
seinen historischen Äußerungen. — Schließlich gehört das Bauhausbuch des Picasso - Antipoden
Albert Gleize »Kubismus« hierher, das nicht übersehen werden darf.


Vergoldeter Kelch aus der Nicolaikirche zu
Ehrenfriedersdorf. Erste Hälfte des 15. Jahrh.
 
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