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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 5
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Paatz, Walter: Ausstellung kirchlicher Textilkunst in Stockholm
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0152

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Abb. 2. Wandbehang aus Üverhogdal. Schwedisch, 11./12. Jahrhundert

nischen Vorwurfs ist strittig —, Tiere und Ornamente in einem primitiven geometri-
schen Stil von höchst dekorativer Wirkung, der wahrscheinlich als der letzte Sproß
einer alteingesessenen, heidnisch-germanischen Kunstübung angesehen werden darf
(Abb. 1, 2). Schon damals muß die schwedische Textilkunst außer der bodenständigen
Tradition sich die innigen Beziehungen ihres Ursprungslandes zum russisch-byzan-
tinischen Osten zunutze gemacht haben. Heraldische Tiere orientalischer Art blieben
fortan durch das ganze Mittelalter hin und bis in die Neuzeit der nordischen Volks-
kunst geläufig. Sie erlebten besonders im 14. und 15. Jahrhundert eine imposante
Ausbildung: die intarsiaartig gearbeiteten Stoffe aus Skepptuna und Hög (Stockholm,
Hist. Museum- Abb. 5) gehören zu den schönsten Überraschungen der Ausstellung.
Seit dem 12. Jahrhundert begann die schwedische Kultur sich von ihrer ursprüng-
lichen Beschränkung auf einheimische und östliche Grundlagen freizumachen und
Verbindungen mit dem europäischen Süden und Westen anzuknüpfen, um sich schließ-
lich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vollständig und endgültig dem kon-
tinentalen Kreis anzupdiedern. Aus dieser Zeit haben sich nicht viele, doch besonders
vornehme Schöpfungen der Textilkunst erhalten. Werke wie die gestickten Besatz-
stücke eines Chorgewandes aus Biskopskulla (rheinisch um 1200), wie das gestickte
Pluviale aus Uppsala (französisch um 1250/75) und wie das große gestickte Antepen-
dium aus Eskilstuna (französisch um 1500) zählen nicht nur zu den Glanzstücken der
Ausstellung, sondern zu den bedeutendsten Erzeugnissen der europäischen Textilkunst
überhaupt. Alle wichtigen Arbeiten aus dieser Zeit sind importiert und zwar aus den
berühmtesten Textilzentren des gesamten Westens und Südens, auf Grund einer be-
achtenswerten Unabhängigkeit der schwedischen Donatoren von lokaler Bindung. In
der Frühzeit spielten namentlich Frankreich und das westliche Deutschland eine Haupt-
rolle als Lieferanten, nach 1500 scheinen sie diese Stellung an England abgegeben zu

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