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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 5
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Baldass, Ludwig: Die Wiener Tafelmalerei von 1410-1460, 2: (Neuerwerbungen des Wiener kunsthistorischen Museums)
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0164

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burgischen Kunstkreis absetzt, eine so enge,
durch so zahlreiche Fäden verbundene und
verknüpfte zu sein, daß diese Bindung mir
nur durch ein klares lokales Zentrum er-
klärbar scheint. Zweitens aber daß dieses
Zentrum Wien war, dafür scheinen mir nicht
nur die Tatsache, daß Wien zweifellos da-
mals die bedeutendste Stadt des ganzen Ge-
bietes war, sondern auch die Umstände zu
sprechen, daß immerhin das umfangreichste
Werk, der Albrechtsaltar nach Wien lokali-
sierbar ist, eine Lokalisierung, die sicherer
ist als die jedes anderen Werkes der Gruppe,
daß ferner die Ausstrahlungen nach Mähren
und Ungarn sich am ehesten durch ein
Zentrum in Wien erklären lassen und daß
schließlich ein Nachleben der Gruppe bis-
her nur in der Wiener Malerei festgestellt
werden konnte. Mit Benesch aber aus dem
Umstand, daß vielleicht die übrigens stilistisch
schwer faßbaren, weil lediglich dekorativen
Malereien eines damals schon im Besitze
des Stiftes Nonnberg befindlichen Faltstuhls,
gewiß aber die 1450 in Innsbruck gemalte
Handschrift in Madrid enge stilistische Ver-
wandtschaft mit der Gruppe zeigen, auf lokale
Differenzierungen zu schließen, erscheint mir
nicht tunlich. Beide Werke können leicht
von wandernden Künstlern — hat doch auch
ein Salzburger das Grazer Dombild, ein Süd-
tiroler den St. Wolfganger-Altar gemacht —
hergestellt sein. Die Salzburger Malerei der
Zeit unterscheidet sich scharf und klar von
Abb. 15. Französisch, Verkündigung vom Meister unserer Gruppe. Von der Nordtiroler Malerei
Ende des 14. Jahrh. von Heiligenkreuz wissen wir noch zu wenig. Die geographi-
sche Lage dieses Gebietes zwischen Südtirol,
Schwaben, Bayern und Salzburg macht aber eine engere Beziehung zur eigentlich österreichischen
Kunst wenig wahrscheinlich.
In der Frage der Stilableitung stehe ich Benesch grundsätzlich gegenüber. Benesch leitet die
Herkunft dieser Kunst »wie die der meisten Spätschöpfungen des weichen Stils in Deutschland
von der burgundischen Kunst aus der Sphäre Melchior Broederlams« her. Demgegenüber kann
ich vor dem Ende der dreißiger Jahre, also vor Entstehung der fünf frühen Tafeln des Meisters
des Albrechtsaltars und der Verkündigungszeichnung in der Albertina überhaupt keinen west-
lichen Einfluß in der österreichischen Kunst wahrnehmen. Nun weicht meine Vorstellung von
der burgundischen und der nordfranzösischen Malerei um 1400 erheblich von der Beneschs ab.
Benesch erklärt, daß die Bildergruppe des Meisters von Heiligenkreuz »sowohl aus maltechnischen
wie ikonographischen Gründen unmöglich französisch sein kann«, während ich — ikonographische
Gründe beweisen bekanntlich bei Tafeln kleinen Formats sehr wenig; man braucht nur einen
auswärtigen Besteller annehmen, so werden sie hinfällig —- gerade umgekehrt in dem Heiligen-
kreuzer Diptychon nicht nur eine stilistische, sondern auch gerade eine maltechnische voll-
kommene Identität mit französischen Tafeln im Louvre und in der Carrand-Sammlung, die wahr-
scheinlich Pariser Ursprungs sind, erblicke. Die Gegenüberstellung der Verkündigung vom
Heiligenkreuzer Diptychon (Abb. 15) und der S. 66, Anm. 1 genannten, ungefähr auf gleicher
Stilstufe stehenden Geburt Christi mag den Unterschied zwischen der aufs äußerste verfeinerten,
ja überspitzten französischen Hofkunst und der bei aller Anmut derberen, viel weniger berech-
neten und dafür aber stärker unmittelbaren österreichischen Tafelmalerei klar vor Augen führen.
Andererseits rechnet Benesch der burgundischen Malerei den Meister des Georgsmartyrium im
Louvre zu, obwohl diese Tafeln maltechnisch grundverschieden sind von allen übrigen als bur-
gundisch oder nordfranzösisch erweisbaren Tafeln der Zeit und nach der von mir übernommenen
Ansicht verschiedener Gelehrter der südfranzösischen, nach der anderer der nordspanischen Schule


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