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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 6
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Roeder, Günther: Eine Ausstellung ägyptischer Kunst in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0192

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Aus den kleineren Steinplastiken sei die Kalksteinfigur der Teti-seneb (Nr. 26, Höhe
31 cm) erwähnt, deren feines Gesicht von den schweren Strähnen der Perücke um-
rahmt wird. Hier tritt einmal wenigstens an der Seitenfläche des Sessels die dekorative
Bedeutung der Schrift in Erscheinung, die in der ägyptischen Kunst so oft eine große
Rolle spielt. Der Oberteil einer Königin (Nr. 63, grauer Granit, Höhe 16 cm) ist aus
dem Zusammenhang und aus einer monumentalen Plastik herausgerissen, behauptet
sich aber auch als Einzelfigur und gibt einen Beweis für die Güte der Arbeit selbst am
Beiwerk kolossaler Statuen. Daneben ist noch der Kopf eines Königs oder Gottes mit
IJräus am glatten Haar (Nr. 79, Basalt, 20 cm hoch) bemerkenswert, in vollendeter
Technik gearbeitet und meisterhaft gehauen, doch mit der Glätte, die dem Greisen-
alter der ägyptischen Kunst eigen ist. Auch der »Würfelhocker« ist vertreten (Nr. 6g,
Granit, Höhe 31 cm), der hockende Mann, der sich in sein Gewand hüllt und nur den Kopf
herausschauen läßt- die großen Gewandflächen sind unorganisch mit Schrift bedeckt.
Bei weitestem das Interessanteste aus dem Neuen Reich ist die Wand des zweiten
Raumes mit zwei Ausschnitten aus fast lebensgroßen Reliefs. Das ältere (Nr. 60, Höhe
47 cm, Breite 66 cm) hat die kühle, abgeklärte Ruhe, in der die Künstler aus dem An-
fang des Neuen Reichs arbeiteten, als sie ihren Stil von neuem schufen. Das jüngere
(Nr. 51, Kalkstein, Höhe 44,3 cm, Breite 53,5 cm) aus dem Ende des Neuen Reichs
läßt erkennen, daß sich inzwischen eine künstlerische Umwandlung abgespielt hat.
Hier ist die Figur lebendig bewegt, zierliche Eleganz ist an die Stelle der ruhigen
W ürde getreten, und alle großen Flächen sind in fesselnde Bewegtheit aufgelöst.
Zwischen den beiden Fipochen, die durch diese Werke bezeichnet werden, liegt die
Episode von Arnarna, deren Nachwirkung in dem jüngeren Stück unverkennbar ist,
so stark auch die Künstler jener Zeit sich bewußt von der Manieriertheit der Ketzer-
generation abgewendet haben. Aus der Amarna-Zeit selbst ist ein typischer Prin-
zessinnenkopf (Nr. 61, Kalkstein, Flöhe 18 cm) vorhanden, eine farbige Einlage aus dem
Kalksteinblock einer Wand. Der Geist jener eigenwilligen Zeit hat auch die Forrnen-
gebung der sich verneigenden Männer bestimmt, die aus dem Grabe des Haremhab
stammt (Nr. 62, Kalkstein, Höhe 42 cm, Abb. 6), des Gegners und Nachfolgers vonTut-
anch-Amon. König Amenophis IV. selbst ist in einem Bildhauermodell mit seinem un-
verkennbaren Kopf vertreten (Nr. 39, Kalkstein, Höhe 11,5 cm, Breite 8,5 cm). Der
darüberhängende Königskopf (Nr. 36, Kalkstein, Höhe 19 cm, Breite 20,5 cm), eben-
falls eine Bildhauerstudie, ist etwas jünger, doch nach der Rückkehr zur Linienführung
der älteren ägyptischen Kunst gearbeitet. Von den beiden anderen Bildhauerstudien
mit Tierbildern springt ein Pferdekopf aus Arnarna (Nr. 38, Kalkstein, Höhe io cm,
Breite 12 cm) überraschend in die Augen, zunächst durch die gute Naturbeobachtung,
die jener Zeit eigen ist, dann durch die innere Nähe zur griechischen Kunst, deren
Pferdekopf vom Parthenongiebel dem Beschauer nicht mit Unrecht gegenwärtig wird.
*
Die dritte und letzte große Gruppe der Denkmäler entstammt der griechisch-ägyptischen
Kunst und ist in deren besten Arbeiten wieder dem Hildesheimer Pelizaeus-Museum
entnommen. Hier spielen Bildhauerskizzen die entscheidenden Rollen, diesmal von un-
verkennbar kunstgewerblichem Charakter. Hausruinen von Memphis haben uns das
Arbeitszeug eines Goldschmiedes um 300 v. Ghr. gebracht, der in der Art des Ver-
fertigers des Hildesheimer Silberfundes tätig war. In seiner Werkstatt hingen Formen
und Ausgüsse, sämtlich aus Stuck, als Material zu silbernen Schalen und Plaketten. Ein-
mal ist Ptolemaios I. dargestellt, unter dessen Regierung das Ganze gearbeitet ist; ferner
der Kopf einer Athene, an die Figur dieser Göttin auf dem Boden der berühmten
Schale des Hildesheimer Silberfundes erinnernd. Diese und zwei andere Stücke
 
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