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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 6
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Zuntz, Dora: Denkmäler altrussischer Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0195

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Twer so ausgeprägte Eigenheiten, daß es eben nicht nur möglich ist, sie von byzan-
tinischem Schaffen, sondern unter sich zu scheiden. In der Figurenproportion, Zeich-
nung und Farbgebung finden sich trennende Merkmale — während doch das Ge-
samtbild einheitlich bleibt durch die spezifisch russische Neigung zum Hintanstellen
des Naturhaften gegenüber der wirksamen Wiedergabe eines Gotteswortes oder eines
liturgischen Gedankens, gebunden in ein dekoratives Ganze aus Linie und Farbe, in
monumentaler Gestaltung durch einfache Frontansicht schmaler, unkörperlicher Heiliger
bis zur miniaturhaften vielfigurigen Komposition. Die Tafeln von Pskow zeigen ein
vanz eigenartiges Kolorit, in dem ein tiefes Grün und ein bräunliches Rot am meisten
auffallen. Nach den Angaben von Professor Grabar findet sich dies Grün dort in der
Umgebung, so daß man versucht ist, auch farbige Eigenheiten anderer Lokalschulen auf
derartige Funde zurückzuführen und so der Topographie in der Kunstgeschichte ihren
Platz einzuräumen. Die Neigung der Novgoroder Schule zu kräftiger Farbigkeit
und Konturierung gibt sich schon in der Ikone der drei Heiligen Johannes, Georg und
Blasius aus dem 15. Jahrhundert zu er-
kennen. In der sogenannten »Viergeteil-
ten« (Tafel) aus der Wende des 14. zum
1 5. Jahrhundert arbeitet sie bereits ganz
bewußt mit gewissen stilistischen Ten-
denzen (s. u.). Die Suzdal-Moskauer
Schule erscheint schon im 14. Jahrhun-
dert in der ihr eigenen, harmonischen
Bildgestaltung in den Heiligen Nikolaus
und Georg. Die Ausbildung der einzelnen
Typen war bereits vollendet- sie stehen
fest bis in die Spätzeit, die Abwandlungen
abgerechnet, die das eigene Stilwollen
einer jeden Zeit dem traditionellen Gut
aufprägt.
I11 den Bildern des 15. Jahrhunderts tre-
ten nun die Gestaltungsideen einzelner
Schulen immer klarer hervor^ bereits
werden um überkommene Namen glaub-
haft einige Werke gruppiert. Pskow,
das in der Frühzeit eine uns bis dahin
unbekannte große Rolle gespielt hat — es
vermittelte als Hansestadt auch die Ver-
bindung mit dem Westen — tritt vor an-
deren etwas zurück. Dagegen entwickelt
das demokratische No vgorod eine stär-
kere Tätigkeit. In Bildern von heller,
starker Farbigkeit, eckiger Bewegtheit
und einem aufgeregten Stile scheint ihre
Eigenheit greifbar. Sehr geschickt hängt
unmittelbar neben ihnen ein Halbfigu-
renbild der Madonna aus Twer, genannt
» S namenj e «,W und erzeichen. Die S chule
von Twer ist in ihrer harmonischen, gro-
ßen Linienführung, ihrer tieferen, wei-
chen k arbigkeit der Suzdaler oder frühen


Abb 2. Nordische Schule, i5.Jahrh. Altartür
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