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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 7
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0235

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um »Peinture« handelt. Die Frage ist nur, ob heute
die Malerei noch das Instrument ist, mit dem man
eine wirksame Gesellschaftskritik verbinden kann.
Ihre Wirkung — auch bei millionenfacher Repro-
duktion — ist nur eine indirekte. Typisch, daß
Dix für seine großen Bilder das feierliche Tri-
ptychon wählt, z. B. »Straßenkampf« oder »Tanz-
lokal« und es auch auf teilt wie einen gotischen Flü-
gelaltar.
Das Vergängliche, zeitlich Bedingte, Gesellschafts-
kritische verlangt seit Gavarni und Daumier (Be-
ginn der allgemeinen Industrialisierung) nach der
vergänglichen Massenform der Zeitung, nach der
Rotationspresse. Und heute: nach dem Film!Wenn
in den »zehn Tagen, die die Welt erschütterten,«
das lange Haar eines verwundeten Mädchens lang-
sam von der hochgehenden Newabrücke abgleitet,
che der Körper in den Strom sinkt, so ergreift das
mehr, als ein mit malerischer Akribie geschilder-
ter, granatenzerschmetterter weiblicher Geschlechts-
teil. — Eisige Feststellungen vollzieht der Appa-
rat umfassender und mit kühlerem Protokoll.
Das Guckloch, aus dem Dix sieht, die geistige Hal-
tung, liegt mitten in der Zeit. Seine Gestaltungs-
mittel gehören der Vergangenheit. Seicento, frü-
hes 19. Jahrhundert, und selbst manieristische
Farbgebungen (Kleider im Tanzlokal), werden zur
Wirkung herangezogen. Mit voller Bewußtheit
werden Öldrucke des Wirklichen geliefert, keine
Photos.
Dix bewegt sich in einer Zwischensphäre, wie wir
sie in der Literatur kennen: Neue Zeit mit alten
Mitteln zu zeugen. Up ton Sinclair, Bert Brecht,
Dreigroschenoper gehören in diese Reihe.
Bei Dix fasziniert die Ehrlichkeit des Welterlebens
mehr als seine Prägung. Vergänglichkeit, falsches
Pathos, bengalische Gemeinheit, die ganze Unter-
höhllheit bürgerlicher Anschauung wird manch-
mal mit grandioser Nüchternheit verifiziert. Dar-
über hinaus: Das anarchische Grauen der Gova-
Wirz-Rops.
Auch die Dadaisten, denen Dix ja anfangs nahe-
stand, haben aus der Banalität und der Kloake ge-
schöpft. Die Visionen der Surrealisten finden nicht
weit davon ihren Stand, nur läßt sich bei diesen
eine größere Identität von Darstellungsmittel und
geistiger Haltung konstatieren. Giedion
DUISBURG
Mitte März eröffnele der Museumsverein eine Aus-
stellung von Bildern von G. Schrimpf und F. M.
Jansen. — Schrimpf erhielt bei der Proklamation
der »Neuen Sachlichkeit« den klassizistischen Stem-
pel. Hier will er uns fast mehr als Romantiker er-
scheinen und mit weniger verdichteter Plastizität
könnte manches um ein Jahrhundert früher ent-
standen sein. Die ausgestellten Bilder sind kaum
unterschiedlich im Niveau. Alle fast langweilig gut
gemalt und durchweg aufgebaut nach dem bekann-
ten Rezept vom vordrängenden Vordergrund und


Wilhelm Leibi
Bildnis der Frau Apotheker Rieder, Bosenheim
Aus der Versteigerung bei Hugo Helbing, München
am 25. April
Ausblick ins Weite. Problemhaftigkeit ist nicht
mehr zu spüren, eher Erschöpfung der auf diesem
Wege liegenden Möglichkeiten. Man wartet noch
auf den Großen, der diese neue Gegenständlichkeit
mit starkem Lebensgehalt zu erfüllen vermöchte.
Die mit wenigen Ausnahmen nüchtern-trockenen
Gemälde des A4 jährigen Kölners F. M. Jansen
sind, gegenüber seinem graphischen Werk, kaum
beachtlich. Hier jedoch finden sich Blätter, die
mit sicherer Beherrschung der technischen Aus-
drucksmittel lebendige künstlerische Wirkungen
erzielen. Katharina Mühlhoff
DÜSSELDORF
Nachlaß - Aus st ellun g Hugo Mühlig
Die Galerie Julius Stern zeigt den Nachlaß des im
Februar verstorbenen Düsseldorfer Landschafters
Hugo Mühlig. Die Ausstellung beginnt mit Wer-
ken der achtziger Jahre, also mit dem Eintritt des
Künstlers, eines Schülers der Dresdner Akademie,
in das hiesige Schaffen. Aus seiner dunklen, ge-
dämpften Malerei, die den Anschauungen der Ge-
neration Oeders und Dückers verwandt erscheint,
entwickelt sich bald eine feingestimmte, helle Far-
bengebung, die vorzüglich Motive aus niederrheini-
scher Winterlandschaft, aus Kornfeldern und be-
sonnter Natur behandelt. Die Detailschilderung

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