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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 8
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Scharf, Alfred: Die Meister des holländischen Interieurs
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0256

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Willem Kalff, der Goldwäger und der Herr am Schreibtisch von Cornelis de Man, die
schöne 1655 datierte Darstellung von Mutter und Kind von Nicolaes Maes, und die
Arbeiten der Nachfolger dieses Kreises Willem van Mieris, Godfried Schälchen und
Adriaen van der Werff gelten.
Der Hauptakzent der Ausstellung liegt aber auf dem Schaffen einer Gruppe mehr
selbständiger Maler, die den Höhepunkt der holländischen Interieurmalerei überhaupt
bezeichnen: Terborcli, Metsu, Pieter de Hoocli, Jan Steen. Terborch ist mit dem
Früh werk einer Wachtstube vertreten, die ähnlich den Exemplaren in Bremen und
London unter dem Einfluß des Willem Duyster entstanden sein dürfte. Aus späterer
Zeit ist die bekannte Lautenspielerin aus Kassel zu finden, die durch raffinierte Farben-
harmonie und graziöse Zeichnung der an sich unbedeutenden Szene zu fesseln weiß.
Ebenso kann man in der Ausstellung an den Werken Pieter de Hoochs seine Ent-
O
wicklung von den Helldunkelwirkungen künstlicher Beleuchtungseffekte, wie sie sich
bei dem Bilde der Sammlung de Groot mit der jungen Frau mit Kavalieren beim Wein
ausspricht, bis zu den späteren erstaunlich feinen Beobachtungen des Sonnenlichts
und seiner Schattenwirkungen im Zimmer, die Bezahlung aus der Sammlung des
Marquis of Bute sei hier genannt, verfolgen. Metsu, gröber als Terborch, von spröder
Stofflichkeit und Formgebung, ist mit dem kleinen Bildchen der Lautenspielerin, einer
Frau am Spinnrocken und einem repräsentativen Selbstbildnis gut vertreten. Gleich-
sam als Gegenspiel zu allen anderen holländischen Genremalern kann Jan Steen gelten.
Fesselnd durch die Drastik seiner Erzählung und durch die Trefflichkeit seiner Cha-
rakteristik, weiß er das lieben und Treiben des holländischen bürgerlichen Mittel-
standes in unerschöpflichen Variationen zu erzählen. Die Ausstellung zeigt ihn mit
der kranken Frau des Leipziger Museums, mit dem liebeskranken Mädchen, das früher
in der Sammlung James Simon hing, und mit einer derben Wirtshausszene von der
besten Seite.
Im Anschluß an die Delfter Meister Vermeer und Pieter de Hooch, früher auch häufig
mit ihnen verwechselt, haben Esaias Boursse, Hendrick van der Burgli und Jacobus
Vrel gearbeitet. Die Beschaulichkeit ihrer Straßenbilder und Interieurs, die durch
starke perspektivische Verkürzung des Raumes, durch ein kühles auf Braun gestimmtes
Kolorit und durch das stillebenhafte Beiwerk der Hausgeräte auf fallen, trägt schon die
Zeichen der künstlerischen Erstarrung an sich. Es ist der gleiche Zug, der den Klein-
bürgermalern Quiringh van Brekelenkam, Jacob Ochtervelt und dem nur noch mit
einem Bilde in Stockholm bekannten, um 1663 tätigen Figurenmaler Constantyn
Verb out anhaftet.

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