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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 11
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Göbel, Heinrich: Das Leben Urbans VIII.: die Pfeilerteppichserie aus der römischen Manufaktur des Kardinals Francesco Barberini
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0341

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e) Auf einer Säulenbasis thront eine allegorische Gestalt, in der erhobenen Rechten eine
Palme, in der Linken einen Ölzweig (?), das Haupt schmückt eine Blattkrone. Links
nimmt »Gerechtigkeit« mit dem Schwert, rechts »Weisheit« mit dem Spiegel, Auf-
stellung. Die Legende spricht: FORTITER • EGIT • PRVDENTER ■ PATITVR • Sie
feiert das tapfere Handeln, das kluge Zulassen des Kirchenfürsten. Das Motiv läßt in
seiner Allgemeinfassung alle möglichen Deutungen zu. Vielleicht handelt es sich um
die geschickte Beilegung eines Streites (1599), der mit Venedig wegen der Gewässer
des Po (ob die sitzende Gestalt den Fluß verkörpert?) entstanden war. Möglicherweise
nimmt die Allegorie auch auf die verständisvolle Regelung des Abflusses des Trasimer-
sees Bezug. Ebenso gut kann es sich um die Lösung der schwierigen Frage der An-
nahme der Trienter Dekrete handeln. Mit gleichem Recht kann schließlich der Streifen e
das Schlußstück der Pfeilerserie sein- die Medaillondarstellung wäre dann lediglich eine
Art Apotheose des in künstlerischen Dingen so glücklichen, in der Politik weniger er-
folgreichen Papstes aus dem Hause Barberini.
Die Streifen f, g, h erläutern die Bauten Urbans VIII.
f) Das Medaillon bringt eine Kirchenfassade und die Legende: AEDE • S ■ BIBIANAE •
RESTITVTA • ET • ORNATA • Es handelt sich um die erste architektonische Arbeit
des Giovanni Lorenzo Bernini im Dienste Urbans VIII. Der Meister beginnt 1625 mit
dem Entwurf einer neuen Fassade für die alte, St. Bibiana geweihte Kirche, er er-
neuert das Innere des Gotteshauses und ziert den Hochaltar mit der Marmorstatue
der Heiligen.
g) Eine burgähnliche Schloßanlage beherrscht das Ufer eines Sees. Legende: SVBVR-
BANO • RECESSV • CONSTRUCTO ■ Das Motiv verherrlicht den Ausbau des von
Urban VIII. erworbenen Landsitzes in unmittelbarer Nähe des Örtchens Castel Gan-
dolfo. Der Palast wird, einer Burg gleich, mit einem Mauergürtel umschlossen, er
liegt steil und malerisch über dem Albanersee. Carlo Maderno liefert den Entwurf,
Bartolomeo Breccioli und Domenico Castelli übernehmen die Bauaufsicht. Die Arbeiten
sind 1629 vollendet, im gleichen Jahre wird die neue breite Zufahrtsstraße angelegt
(siehe Medaillon). Der Vater der Christenheit hängt mit schwärmerischer Liebe an
dem köstlichen Landsitz, an der wundervollen Natur, die ihn schon als Kardinal bis
zum dichterischen Überschwang begeisterte.
h) Ein zweigeschossiger Zweckbau, mit breiter vorgelagerter Treppe trägt die Um-
schrift VBERIORI • ANNONCE • COMMODO, die die weise Fürsorge des Papstes hin-
sichtlich der Sicherung der Kornversorgung Roms preist. Zur Darstellung gelangt der
Kornspeicher Urbans VIII., der noch heute in der ursprünglichen Form zu den Schmuck-
stücken der V ia Venti Settembre (Rom) zählt. Den Architekten habe ich mit Sicher-
heit nicht feststellen können. Möglicherweise handelt es sich um Domenico Castelli,
der in den Jahren von 1625 bis 1657 das Amt des Baubeamten (Soprastante) der päpst-
lichen Kammer bekleidete und mit zahlreichen Um- und Neubauten beschäftigt war.
Es ist zu hoffen, daß die höchst bedeutsame Folge in ihrem Gesamtbestand erhalten
bleibt; es wäre in höchstem Maße zu bedauern, wenn die einzelnen Stücke getrennt
veräußert würden, um endgültig im Handel oder in Sammlungen unterzutauchen.

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