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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 12
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Wolfradt, Willi: Hundert Jahre Berliner Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0379

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Albert Hertel
oder Catel, bildet sich eine vortreffliche' lokale
Tradition der Wirklichkeitsschilderung' heraus, die
in der Straßenvedute, im Bildnis und in einer an-
mutigen Genrekunst za den liebenswürdigsten Er-
gebnissen gelangt. Ein Gemälde wie Dählings »Ro-
manzensänger« steht in seinem etwa Fohr ver-
wandten Nazarenertum ganz isoliert da. Unüber-
sehbar freilich die großzügige, naturtheatralische
Panoramatik A. W. Schirmers, dem man den ge-
borenen Berliner nicht glaubt. Die bodentümliche
Eigenart ist vielmehr auf genommen von Franz
Krüger, der an dieser Stelle vor allem durch die
benervten Pferdebilder und Reiterstücke kleinen
Formats fasziniert, von Steffeck, dessen Stallstu-
dien hierneben freilich ein wenig abfallen, der je-
doch durch menschlich gehaltvolle, fein gefestigte
Porträts oder mit einem graziösen Bildchen von
der eigenen Hochzeitsreise überrascht. August von
Rentzell gehört in diese Reihe, weniger um seiner
etwas possenhaften Genreszenen willen, als mit
überaus eleganten Darstellungen der königlichen
Ausfahrten im samtrappen- oder perlmutterschim-
melbespannten Promenadenwagen. Diese char-
mante Chronistenkunst hat Graeh vor allem nach
der Seite des Interieurs hin ergänzt; ist er damit
nicht ganz zureichend vertreten, so wirdmanclurch
ein winziges Springbrunnenbild aus dem Sans-
souci-Park von bezaubernder Pikanterie der Spitz-
malerei voll entschädigt, dem sich mit der Fon-
täne von der Pfaueninsel der ganz unbekannte
J heodor Krüger in weicherer, vcrsponnencrer Art
anschließt. Im Bildnisfac.h wird der ziemlich kon-

Gräberstraße bei Rom
Bes.: Dr. Franziska Kern
ventionelle Wach durch seinen Schüler UEopfgar-
ten und vor allem durch den eigentlichen Berliner
Biedermeierporträtisten Schoppe übertroffen, der
sich mit dem »Sterbelager Friedrich Wilhelm III.,
umgeben von Familie und Hofstaat« auch um-
fänglicheren Aufgaben gewachsen zeigt. Carl
Begas der Ältere erscheint mit dokumentarisch
wertvollen Bildnissen von Rauch, Schadow, Cor-
nelius.
Sein Sohn und Schüler Oscar Begas lenkt die Auf-
merksamkeit durch stimmungseigene, scharf ak-
zentuierte Landschaften auf sich. Hosemann, den
man auf Grund seiner ungewöhnlich hübschen Ein-
fälle und Beobachtungen wohl immer ein wenig
überschätzt, oder der hier eigentlich nur in Zeich-
nungen und Pastellen vollgültig repräsentierte Men-
zel treten als Selbstverständlichkeiten hinter den
sekundären Künstlern zurück. Es ist ja ganz und
gar nicht so, wie es immer heißt: daß erst aus
einem gewissen Zeitahstand das richtige Urteil ge-
fällt werden kann über Persönlichkeiten und Lei-
stungen des Geisteslebens. Die eigentliche Befug-
nis zum Urteil liegt gewiß bei den Zeitgenossen
und vor allem bei ihren Söhnen. So ist etwa der
erfolgverwöhnte Salonporträtist Gussow sicher-
lich nicht zu unrecht als eine bloße Modegröße ge-
wertet und schnell wieder vergessen worden. Nun
aber verblüfft doch wieder das Raffinement seiner
teerosenduftigen Ensembles von Teint, Seide, Fe-
dern und honigfarbenem Plüsch. Die in ihrem kul-
tivierten Ton, ihrer gelösten Haltung Manets Art
streifenden Frauenbildnisse Carl Ludwig Beckers

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