Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929
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Heft 13
DOI article:Colin, Paul; Wouters, Rik [Honoree]: Rik Wouters
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Rik Wouters Nachmittag. 1916
Sammlung Mme. Giroux, Brüssel
ihm Reproduktionen ihrer Bilder und alsbald erfüllt ihn das Modele von Cezanne mit Be-
wunderung, und ohne sich noch um die Farbenskizze zu kümmern, schickt er sich an,
es auch seinerseits zu verwirklichen. Nach den Photos übernimmt er die Zeichnung
und kümmert sich nicht um die Farbe. Er hat ja die seinige schon seit den Anfängen,
seit den Champignons, eine Farbe, die sehr sorgfältig der Nuancen gedenkt, dem
Spiel des Schattens und der Sonnenstrahlen gerecht wird und auf die geringsten Fein-
heiten des Lichtes reagiert.
Hier die Tragödie: Seine Gemälde sind weder komponiert, noch sorgfältig aufgebaut,
wie diejenigen eines Cezanne und seiner Nachfolger. Und trotzdem: Die Aspirationen
jener Künstler sind auch die seinigen. Während jene alles, selbst die Farbe der be-
wußten Anlage und Ordnung unterwerfen, läßt er sich von der Beredtsamkeit der
Töne und Halbtöne verführen, die seit 50 Jahren, wie man weiß, die Malerei entsetz-
lich mißhandelt haben. Bei seinem ersten Auftreten ist der Konflikt allgemein sicht-
bar. Das Porträt von Simon Levy trägt alle Spuren desselben so stark zur Schau,
daß man jegliches Interesse verliert. Trotzdem kommt die Beruhigung schnell und
bereits wenige Monate später in Bildern wie »Les Reflets und »Les Fleurs d’An-
niversaire«, die zweifellos seine Hauptwerke sind, errät man nur den Konflikt.
Diese mystische Ehe zwischen James Ensor und Paul Cezanne war widernatürlich und
hätte zweifellos nur erkünstelte Werke hervorbringen können. Rik Wouters schuf das
Wunder, das er erlebte, in einem Zeitraum von nur zwei Jahren. Die Entwicklung,
die ihn von der Bildhauerei zur Malerei hiimeführt hat, überstürzte sich diesmal, in-
dem sie seinen malerischen Sinn um ein Bedeutendes steigerte. Sein Freund Georges
Giroux sandte ihn nach Paris, wo er die großen Impressionisten sah und auch Cezanne
und seine Farbe erlebte. Aber plötzlich ergab er sich den ersteren, und die letzten
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