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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 15
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0477

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Fritz Wimmer Urteil des Paris
Ausgestellt in der Dresdner Kunstgenossenschaft, Brühlsche Terrasse

unter dem Titel »Die Musik in der darstellenden
Kunst der Gegenwart«.
Will man hiesige Veranstaltungen auf dem Ge-
biete der darstellenden Kunst gerecht beurteilen,
darf man nicht außer acht lassen, daß noch keine
Tradition vorhanden ist und Raum und Geld-
mittel beschränkt sind. Das wird um so stärker
empfunden, als die Nachbarstadt Essen unter viel
günstigeren Bedingungen arbeitet und darum weit
höher gesteckte Ziele zu erreichen vermag. Es
wird noch viel Zeit und Aufwand an energischem
Zielstreben kosten, bis Duisburg Gleichwertiges zu
bieten imstande sein wird.
Die gegenwärtige Ausstellung zeigt insofern einen
Fortschritt, als eine große Anzahl namhafter
Künstler mit bedeutenden Werken vertreten sind,
die unter einheitlichem Gesichtspunkt ausgewählt
wurden. Wenn der hier eingeschlagene Weg weiter
verfolgt wird und die richtigen Kräfte mobil ge-
macht werden, könnte die bildende Kunst in Duis-
burg in Zukunft vielleicht die Geltung erlangen,
die die Tonkunst in der aufstrebenden Industrie-
stadt längst besitzt. Die jüngsten Eingemeindungen,
die Duisburg etwa i5oooo Menschen zuführen,
deren Lebensbedingungen sich fast unter amerika-
nischen Verhältnissen entwickelt haben, die keine
überlieferte Kultur, aber um so stärkeren Kultur-
hunger mitbringen, werden hier vielleicht eine
wirksame Stoßkraft bedeuten, um so mehr als ein
leil der heranwachsenden Jugend sich hier syste-
matisch zur bildenden Kunst hinführen läßt.
So hat denn die gegenwärtige Ausstellung mit ihrer

Fülle von guten Bildern in diese durch keinerlei
historische Maßstäbe beirrte und daher für moderne
Kunst ungehemmte Einfühlungsfähigkeit mächtig
eingeschlagen. Die stärkste Wirkung löste Heinrich
Nauens großes Musikbild aus. Die hohe Musikalität
der Farben- und Formenrhythmen, die klingende
Dynamik voll verhaltener Kraft, die ganze formale
und lebenerfüllte Kultur dieses Bildes ist von über-
zeugender Gewalt. Es ist bedauerlich, daß dieses
Werk, das außerdem durch die ornamentale Auf-
teilung des Hintergrundes einen Markstein in der
Entwicklungsgeschichte expressionistischer Malerei
bedeutet, sich in Privatbesitz befindet und deshalb
der Öffentlichkeit selten zugänglich gemacht wird.
Vielleicht war es ausstellungstechnisch nicht vor-
teilhaft, dieses Meisterwerk musikalischer Bildge-
staltung gleich beim Eintritt zu zeigen; denn
manches Folgende verliert dadurch an Auswirkungs-
möglichkeit. Das gilt besonders von den in nächster
Nachbarschaft hängenden Mosaikentwürfen Thorn
Prikkers, die nur im Thema etwas mit Musik ge-
mein haben. Die mystischen Impressionen von
Rohlfs setzen sich nicht genug in Klangwirkungen
um, während Hofers Trommler lärmend den Raum
erfüllt und der auf optischen Effekt eingestellte
Wollheim wie Raketenfeuer knattert und verpufft.
Klee kommt mit seiner subtilen irrationalen Art in
dieser Umgebung nicht zur Geltung, doch vermag sich
August Mackes Farbenmusik mit rauschenden Ak-
korden durchzusetzen. Ernst Opplers Geiger wirkt
überzeugender und musikverbundener alsPechsteins
Cellospieler, der aber die sprühende Vibration der

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