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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 16
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Rundschau
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A. Sisley Straße nach Louveciennes
Bes. Tooth and Sons, London

PRAG
Moderne deutsche Graphik im Kunstver-
ein / Alfred Justitz, Holan und Holy / Der
hl. Wenzel in der Kunst / Um das »Rosen-
kranzfest«
Mit der Galerie der »Gesellschaft patriotischer
Kunstfreunde« hat auch der »Kunstverein für Böh-
men in Prag«, der im Vestibül untergebracht war,
das Haus zu räumen. Seine Abschiedsausstellung
galt modernster deutscher Graphik, in der Beck-
mann, Hofer, Nolde, Peclistein, Barlach, Groß-
mann, Kokoschka, Kirchner, Schmidt-Rottluff zum
Teil recht gut vertreten waren. Der »Kunstverein«
bezieht neu her gerichtete Ausstellungsräume in
einer Etagenwohnung der Neustadt, deren Eignung
man erst gelegentlich der Eröffnungsausstellung
im September wird beurteilen können. Diese Er-
öffnungsausstellung soll »Meisterbildnisse aus Pra-
ger Privatbesitz« zeigen. Vielleicht beginnt der
Kunstverein also endlich mit der längst fälligen
Sichtung des in Prag seit /|0 Jahren nicht mehr
revidierten Kunstbesilzes der Privaten.
Das könnte zugleich ein Wiedererwecken des hie-
sigen Kunstlebens werden, das in den letzten Jahren
bedenklich eingeschlafen ist. (Fehlanzeige der Pra-
ger Referate an dieser Stelle war dessen Ausdruck.)
Zur Zeit zeigen einige »Manes«mitglieder neueste
Arbeiten im Kunstsalon »Rubels«. Die Meinung,
daß die Malerei der Tschechen nach den Ver-
sprechungen der Vor- und Nachkriegsjahre be-
denklich erschlafft ist, wird durch diese Darbietung
kaum eines anderen belehrt. Einige neue Jugend
ist zu erwähnen: die nervigen Bilder Dolans und
die sichere Art Holys. Auch Huheöek erweist eigenes

Empfinden. Unter den älteren ist vor allem Alfred
Justitz hervorzuheben, dessen qualitätvolle Malerei
und tief malerisches Empfinden einige sehr schöne
und reife Stücke (Landschaften und Akte) zu
zeigen hat.
Ansonsten regiert den hiesigen Tag die Architektur,
die viel und darunter manches Gute zu sagen hat.
Unter ihrem Ansturm stürzt die alte: Altprag wird
in wenig Jahren nur mehr Legende sein. Soll Altes
hier geehrt werden, so bedarf es schon besonderer
Anlässe! Ein solcher ist das Wenzelsmillenium,
dem zu Ehren ein Festausschuß eine groß angelegte,
für ein breites Publikum berechnete Ausstellung
im spätgotischen Wladislawsaal der Prager Burg
veranstaltet hat. »Der hl. Wenzel in der Kunst«
lautet das Motto, unter dem sich unter viel Epi-
sodischem auch einiges ganz Große eingeschlichen
hat, wie die Tafeln Tomasso di Modenas aus Burg
Karlstein, wie einige Bilderhandschriften: Vratislav-
evangeliar aus dem 11. Jahrhundert, die Velislav-
bibel aus dem Beginn des i/j., das Missale des
Domherrn Wenzel von Ilradec aus dem Ende des
i4. Jahrhunderts. Viel Volkskunst und vor allem
schöne Werkkunst geben ein umfassendes Bild
vom Weiter leben dieses Volksheiligen derTschechen,
der trotz Idus und Johannes von Nepomuk d e r
Nationalheilige geblieben ist bis auf diesen Tag (wie
auch der starke Besuch der Ausstellung zeigt.)
Zum alljährlich wieder auftauchenden Inventar
des sommerlichen Kunstlebens scheint das Gerücht
vom bevorstehenden Verkauf des Dürerschen »Ro-
senkranzfestes« zu gehören, das in der Galerie des
Klosters Strahov ein nur in Dürerfestjahren be-
achtetes Leben abhängt. Die heuer auftauchenden

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