Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929
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Heft 16
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C. Pissarro,
Bes. Tooth and Sons, London
Landschaft
Gerüchte, die wieder von einem deutschen Käufer
mit Millionenangebot wissen, vervollständigen die
Nachricht diesmal mit dem Zusatz, daß die tsche-
choslowakische Regierung das Bild auf jeden Fall,
sogar auf den eines Kompromisses mit der Boden-
reform des Staates, die das Kloster bedroht, halten
wird. 0. S.
PERSONALIA
Geheimrat Carl Schuchhardt, der Berliner
Erforscher der Vor- und Frühgeschichte, vollendet
am Dienstag (6. August) sein 70. Lebensjahr. Der
Gelehrte, aus Hannover gebürtig, von Haus aus
Archäologe, hat das Verdienst, die Vorgeschichts-
Wissenschaft als ebenbürtige Genossin in den Kreis
der älteren Altertums-Wissenschaften eingeführt
zu haben, indem er die exakten Methoden der klasi-
sischen Archäologie auch auf die Erforschung der
früheren Zeitalter der Geschichte übertrug. Er-
innert sei wenigstens an seine Ausgrabung der so-
genannten Bömerschanze bei Potsdam, an seine
Aufdeckung altslavischer Heiligtümer in Arkona,
Bethra, im letzten Jahre in Garz auf Rügen. Diese
Ausgrabungen und eine scharfsinnige Kombination
der Grabungsfunde mit den literarischen Nach-
richten hat den Gelehrten zu umstürzenden An-
sichten über die Heimat der Indogermanen ge-
führt. Er sucht ihre Wiege nicht mehr im Osten,
sondern in Deutschland, und ihre Wanderungen
verfolgt er von hier aus durch Europa bis Indien
und Spanien. Sein wissenschaftliches Hauptwerk,
heute in zwei Auflagen vorliegend, »Alt-Europa«
und die zusammenfassende »Vorgeschichte von
Deutschland«, zeigen Schuchhardt als klaren Dar-
steller und scharfsinnigen Forscher, der künstleri-
sches Talent mit der Unermüdlichkeit des Gelehr-
verbindet. R.
Die Professoren Walter Lehmann und Konrad
Theodor Preuss, Direktoren am Berliner Mu-
seum für Völkerkunde, sind aus Anlaß des 5o jäh-
rigen J ubiläums der Anthropologischen Gesell-
schaft von Washington zu Ehrenmitgliedern der
Gesellschaft ernannt worden. R.
Heinrich Zille *f*. Am 9. August hat der Zwei-
undsiehzigjährige die Augen geschlossen. In ihm
verliert Berlin den grimmig-launigen Schilderer
des drastischen Menschentreibens, wie es in den
trüben Hinterhöfen, Kellerwohnungen und Destil-
len der nördlichen und östlichen Stadtbezirke ge-
deiht. In ihm verliert die deutsche Kunst, die ihn
erst spät für voll genommen hat, einen der ganz
wenigen, die sie noch mit dem Volk verbinden.
Zille hat in einer ursprünglichen und ungekünstel-
ten Handschrift den deftigen Schmiß und die gut-
mütige Dreistigkeit der waschechten Spreeproleten
derart aufzuzeichnen gewußt, daß hinter der Bur-
leske stets das Bittere der sozialen Wirklichkeit
spürbar blieb. Er war, jenseits von Pathos und Sen-
timentalität, Mittler eines robusten Galgenhumors
der Existenz, und sein tief im »Milljöh« wurzeln-
der Chronistenwitz läßt, wie prall auch im graphi-
schen Umriß und wie lustig geknäult, oft ein läh-
mendes Erschrecken zurück. Als Lithographenlehr-
ling hat Zille, der übrigens sein Handwerk bis
475
Bes. Tooth and Sons, London
Landschaft
Gerüchte, die wieder von einem deutschen Käufer
mit Millionenangebot wissen, vervollständigen die
Nachricht diesmal mit dem Zusatz, daß die tsche-
choslowakische Regierung das Bild auf jeden Fall,
sogar auf den eines Kompromisses mit der Boden-
reform des Staates, die das Kloster bedroht, halten
wird. 0. S.
PERSONALIA
Geheimrat Carl Schuchhardt, der Berliner
Erforscher der Vor- und Frühgeschichte, vollendet
am Dienstag (6. August) sein 70. Lebensjahr. Der
Gelehrte, aus Hannover gebürtig, von Haus aus
Archäologe, hat das Verdienst, die Vorgeschichts-
Wissenschaft als ebenbürtige Genossin in den Kreis
der älteren Altertums-Wissenschaften eingeführt
zu haben, indem er die exakten Methoden der klasi-
sischen Archäologie auch auf die Erforschung der
früheren Zeitalter der Geschichte übertrug. Er-
innert sei wenigstens an seine Ausgrabung der so-
genannten Bömerschanze bei Potsdam, an seine
Aufdeckung altslavischer Heiligtümer in Arkona,
Bethra, im letzten Jahre in Garz auf Rügen. Diese
Ausgrabungen und eine scharfsinnige Kombination
der Grabungsfunde mit den literarischen Nach-
richten hat den Gelehrten zu umstürzenden An-
sichten über die Heimat der Indogermanen ge-
führt. Er sucht ihre Wiege nicht mehr im Osten,
sondern in Deutschland, und ihre Wanderungen
verfolgt er von hier aus durch Europa bis Indien
und Spanien. Sein wissenschaftliches Hauptwerk,
heute in zwei Auflagen vorliegend, »Alt-Europa«
und die zusammenfassende »Vorgeschichte von
Deutschland«, zeigen Schuchhardt als klaren Dar-
steller und scharfsinnigen Forscher, der künstleri-
sches Talent mit der Unermüdlichkeit des Gelehr-
verbindet. R.
Die Professoren Walter Lehmann und Konrad
Theodor Preuss, Direktoren am Berliner Mu-
seum für Völkerkunde, sind aus Anlaß des 5o jäh-
rigen J ubiläums der Anthropologischen Gesell-
schaft von Washington zu Ehrenmitgliedern der
Gesellschaft ernannt worden. R.
Heinrich Zille *f*. Am 9. August hat der Zwei-
undsiehzigjährige die Augen geschlossen. In ihm
verliert Berlin den grimmig-launigen Schilderer
des drastischen Menschentreibens, wie es in den
trüben Hinterhöfen, Kellerwohnungen und Destil-
len der nördlichen und östlichen Stadtbezirke ge-
deiht. In ihm verliert die deutsche Kunst, die ihn
erst spät für voll genommen hat, einen der ganz
wenigen, die sie noch mit dem Volk verbinden.
Zille hat in einer ursprünglichen und ungekünstel-
ten Handschrift den deftigen Schmiß und die gut-
mütige Dreistigkeit der waschechten Spreeproleten
derart aufzuzeichnen gewußt, daß hinter der Bur-
leske stets das Bittere der sozialen Wirklichkeit
spürbar blieb. Er war, jenseits von Pathos und Sen-
timentalität, Mittler eines robusten Galgenhumors
der Existenz, und sein tief im »Milljöh« wurzeln-
der Chronistenwitz läßt, wie prall auch im graphi-
schen Umriß und wie lustig geknäult, oft ein läh-
mendes Erschrecken zurück. Als Lithographenlehr-
ling hat Zille, der übrigens sein Handwerk bis
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