Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0554
DOI Heft:
Heft 18
DOI Artikel:Nebelthau, Eberhard; Roessingh, Henry [Gefeierte Pers.]: Henry Roessingh
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0554
Henry Roessingh Felsen bei Fecamp
HENRY ROESSINGH
VON E. NEBELTHAU
Hier und da konnte man schon vor Jahren den Namen Henry Roessingh in Kunst-
zeitschriften lesen oder einige seiner Bilder auf einer der Berliner Kunstausstellungen
sehen^ dann war der Name wieder verschwunden und ist nur einigen Sammlern bisher
vertraut geblieben. Roessinghs jüngstes Werk stellt nun seine Malerei mit einem Male
an einen hohen Platz. Auf dem eben fertiggestellten Riesendampfer des Norddeutschen
Lloyd, der »Bremen«, diesem großartigen schwimmenden Palast, hat er den Vorraum
zu einem der großen Speisesäle ausgemalt. Acht große Panneaux bedecken die Wand-
flächen und sie zeigen, daß Roessinghs Talent sich inzwischen zu einer beachtlichen
Reife und Höhe entwickelt hat.
Roessingh ist gebürtiger Bremer, Sohn einer französischen Mutter und eines deutschen
Vaters. Das ist eine äußere Feststellung und zugleich ein Schlüssel zu seinem künst-
lerischen Wesen, eine von Haus aus vorhandene, sehr kultivierte und reiche Maler-
begabung gestützt auf eine innerlich breit angelegte Grundlage. Roessingh lebt in Paris,
heute eben dreißigjährig. Wie alle einmal, hat auch er zuerst auf Montmartre ge-
haust und an den Tischen des Cafe du Dome die Kunst mit in Grund und Boden oder
in den Himmel geredet. Aber er hat die Natur und den Louvre dabei nie vergessen
und auch das Malen nicht. Auch hat er sogar eine Akademie besucht, mit dem Er-
folge, Autodidakt zu bleiben, der er immer gewesen ist. Die Kunst war doch wichtiger
als das Künstlerleben. Jetzt lebt er in einer ruhigen Straße in Passy, wo man schon
vor Mitternacht schlafen gehen darf und verbringt den Sommer meistens an der Küste
der Normandie. Das ist die Landschaft, dessen klar betonte, fest umrissene Formen
und deren farbig wechselvolle und stimmungsreiche Atmosphäre ihn immer wieder
fesseln und zu neuer Klärung und Auseinandersetzung mit seinem eigenen Wesen
zwingen.
522