Der neue deutsche Taler. 1929 Italienisches Zehn-Lire-Stück. 1928
RUNDSCHAU
DER NEUE DEUTSCHE TALER UND SEINES-
GLEICHEN
"Weshalb muß man sich dies eigentlich gefallen
lassen? Das neue jetzt in Umlauf gesetzte Drei-
markstück, mit dem Ilindenburgkopf auf der Yor-
derseite und einer Art von Schwurhand auf der
Rückseite, ist künstlerisch wie münztechnisch so
ziemlich das Elendeste, was einem Volke geboten
werden darf. Schlimmer kann es nun nicht mehr
werden. Man schämt sich von dem Augenblick an,
wo man sich davon überzeugen muß, daß dies wirk-
lich Geld sein soll und nicht etwa die blecherne Er-
kennungsmarke des Vereins »Immertreu«.
Der Ilindenburgkopf ist schlecht in der Modellie-
rung und schon bei den noch nicht abgegriffenen
Stücken flach und ohne jenes zarte Auf und Ab in
den Flächen, das man auch bei wirklichem glatten
Geld verlangen kann und selbst in Deutschland
früher gehabt hat. Es ist ja nicht wahr, daß Hin-
denburg einen plastisch ungünstigen Kopf habe.
Man braucht sich nur die Ilindenburg-Büste von
Ernesto de Fiori anzusehen, um zu wissen, was
man aus diesem Kopf plastisch machen kann. Und
ebensowenig ist es wahr, daß glattes Geld einer
wirklich guten Reliefgestaltung, auch wenn nur
unmerklichste Erhebungen der Flächen erlaubt
sind, widerstrebe. Der Hildebrand-Schüler Georg
Roerner hat im Jahre 1900 für Sachsen-Meinin-
gen ein ausgezeichnetes Fünfmarkstück gemacht,
im Aufträge des Herzogs Georg V. von Sachsen-
Meiningen, mit seinem Bildniskopf, ein Stück, das
sich im Verkehr glänzend bewährte, so bewährte,
daß der Laie gar nicht merkte, daß die Arbeit eines
Künstlers dahinterstand; so sehr fügte sich alles
Münztechnische, ganz unauffällig, den Forderun-
gen der Praxis und den Gegebenheiten der Kon-
vention. Die Ilindenburgmünze aber sieht schon
wegen des wagerechten Abschnitts für den Namen
nicht wie Geld aus, sondern wie eine Medaille. Da-
zu ist das Größenverhältnis zwischen Kopf und
Schriftband höchst unglücklich, die umlaufende
Schrift ist groß und engt durch ihre Einfassungs-
linie das Bildfeld ein; und dann steht noch, in klei-
nerer Schrift, der Name des Dargestellten darunter
und endlich, in wieder kleinerer Schrift, sein Ti-
tel. — Wollte man die künstlerische Behandlung
der Rückseite mit der (auch noch falsche Finger-
haltung zeigenden) Schwurhand eingehend kriti-
sieren, hätte man eine Anklage wegen Verbreitung
übler Nachrede zu gewärtigen. Der Mangel an
Selbstkritik, der hier bei Entwurf und Ausfüh-
rung »am Werke war«, geht soweit, daß er von
vollkommener Ahnungslosigkeit nur noch mit der
allergrößten geistigen Anstrengung zu unterschei-
den ist.
Die Zahl 3 — denn man will doch wissen, wieviel
das Silberstück denn eigentlich wert sein soll — ist
so unauffällig angebracht, daß man sie nur lang-
sam findet. Die Rückseite steht gegen die Vorder-
seite auf dem Kopf, verkehrt herum. Das heißt:
Wenn der Beschauer, die Münze zwischen Zeige-
finger und Daumen der rechten Hand haltend, die
Vorderseite genügend betrachtet hat und nun die
Rückseite sehen will, und dreht das Stück um, in-
dem er den Zeigefinger senkt und den Daumen
hebt, wie es das Natürliche ist, dann stellt die
Schwurhand verkehrt herum, und man muß aber-
mals, dieses Mal seitlich, drehen, bis man sie end-
lich hat.
Das Ganze ist ein Skandal. Man wundert sich, daß
die Lex Ileinze hier noch nicht eingegriffen hat.
Sie könnte es nach ihrem Wortlaut: ». .. ohne
direkt unzüchtig zu sein, das Schamgefühl gröblich
verletzend.«
Leider ist solcher Jammer nicht ein Einzelfall. Die
goldenen Gedenkmünzen an den Weltflug des Zep-
pelin, mit den Profilköpfen Zeppelins und Ecke-
ners und mit den drei Profilköpfen von Zeppelin,
Eckener und Dürr, von der Berliner staatlichen
Münze geprägt und von einem in Kunstkreisen
nicht sehr bekannten Berliner Bildhauer Otto
Glöckler entworfen, sind genau so minderwertig.
Wenn aber dies vielleicht eine nicht zu verhin-
dernde Privatsache ist, — der Hindenburg-Taler
ist keine Privatsache, sondern Reichssache, und cs
ist wegen des deutschen Ansehens in der Welt drin-
gend zu fordern, daß sofort eine Reichsstelle ge-
schaffen werde, die solche Blamagen verhindert.
Wir sind keine Barbaren. Aber wir wollen auch
nicht als solche gelten.
Ich weiß, was nun kommt (wenn überhaupt etwas
kommt). Es kommt: »Leider geht es nicht besser,
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