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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 18
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Rundschau
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A. van Ostade Interieur mit Bauern
Aus der Holländer-Ausstellung- bei Gustav Gerstenberger, -Chemnitz

im rötlichen Abklingen des Tages sitzen, schim-
mert der Mythos der tiefsten Daseinsselbslverständ-
lichkeit. Doch zugleich, und das eben verleiht die-
ser Kunst die Resonanz des Unergründbaren, ban-
gen traumentschreckte Augen ins Fremde, schat-
tet Beklemmung um die Birken und um die demü-
tigen Kinderkörper, die eine wahrhaft mütterliche
Zeichnung ixt weichem Zuge gewinnt. Die Abkunft
aus dem Worpswedischen verleugnen gerade die
Frühwerke nicht, die bei Möller vorherrschen. Um
so deutlicher zeigen sie Paula Modersohn jegli-
cher Stimmungs-Kalligraphie entrückt und einem
Grunde der Natur verbunden, aus dem Munch und
Nolde zu schöpfen vermochten.
An gleicher Stelle noch Gemälde von Felix M e -
seck, deren farbenschüchterne und zarte Emp-
findung nur selten sich gegen den Einwand der
Blaßmütigkeit zu sichern weiß. Blaß ist hier eben
nicht nur die Palette, was gewiß hinginge, son-
dern die Landschaftskonzeption, die Linienrhylh-
mik, die kraftlose und oft ganz oberflächliche
Eigenbewegung der Malerei, kurzum das künstle-
rische Blut.
1 m K ü n s 11 e r h a u s biete l d er K unst-Diens t,
die Dresdner »Arbeitsgemeinschaft für evangeli-
sche Gestal tung«, einen aufschlußreichen Überblick
gegenwartsbewußter Kult bauten in Deutsch-
land. (Denn die Beispiele aus U. S. A. sind nicht
ernst zu nehmen.) Manches gibt sich allzu vorsich-
tig, Anderes wieder mutet wie sakrale Filmarchi-
tektur an. Dazwischen erstaunlich viel saubere Ver-
suche und Lösungen, die das Kirchenhaus im Sinne
heutiger Bauweise wirklich neugestalten. Die Ent-
würfe Otto Bartnings überzeugen nach wie vor am
stärksten, außerdem besonders die Arbeiten des
Stuttgarters Hans Herkomer und des Berliners
Hans Rottmayer. Auffällig, in welchem Maße oft
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auf die kirchlichen Merkmale verzichtet und der
Angleich an den modernen Profanbau vollzogen
wird. Manches wirkt geradezu als Gotteshotel. Ein
architektonischer Erneuerungsprozeß in solchem
Umfang ist gewiß erfreulich. Aber hängt er nicht
in der Luft, entspricht ihm eine geistige Erneue-
rung der Kirche? Davon könnte nur eine neue
Sakralform zeugen, und die wird nicht sicht-
bar. — Was anschließend das Institut für re-
ligiöse Kunst der Stadt Köln an modernem
Kirchengerät und an Malerei vorführt, ist wenig
erheblich.
Die Jury freie Kunstschau füllt in solcher
Reichhaltigkeit das riesige Glaslabyrinth am Lehr-
ter Bahnhof, daß es selbst den rüstigsten Besu-
chern schwer fallen dürfte, in drei oder vier Stun-
den auch nur einigermaßen durchzukommen. An-
zuerkennen, daß dies iricht so sehr die bloße An-
zahl von Bildern als die viel Aufmerksamkeit er-
heischende Gesamtqualität und ein Übermaß von
Spezialabteilungen verschuldet. Dennoch täte Ein-
schränkung not. Sandkuhls höchst lebendige Aus-
stellungsregie kehrt sich mit solcher Abundanz
schließlich gegen den Zweck des Unternehmens.
Der Juryfreien wäre ein eigenes Haus zu wünschen
mit der Möglichkeit, allmonatlich abschnittweise die
Kunsteingänge vorzuführen. Notgedrungen kann
hier nur ganz kurz registriert werden: 1. Zehn Jahre
Novembergruppe. Ein recht stolzer Rückblick. Man
sieht, wie viele der Wichtigsten dazu gehören. Ent-
scheidende Bilder tauchen wieder auf: Grosz’»Aben-
teurer«, Dix’ »Barrikade« usw. Außer den Großen
wie Kandinsky, Klee, Chagall, Baumeister, Schlem-
mer, Belling lenken jetzt Erscheinungen wie Bayer,
Spiegel, Pollack, Yarda, Döbel, Ryback, Nagel, Matare,
Wiethüchter den Blick auf sich. Ferner die Archi-
tekten der Gruppe und die Pholomontagen Heart-
 
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