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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 19
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Du Colombier, Pierre: Der Fall Courbet
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0580

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dem berühmten Bilde: »Bonjour Monsieur Cour bet« (Museum in Montpellier). Vor
dem harten Licht, vor der klassischen Linienschönheit Südfrankreichs steht er un-
beholfen. Er braucht seine schwarze und wasserreiche Franche-Comte oder die regen-
nasse Normandie. Ein Stück Fleisch steht ihm viel näher als ein Gesicht. Und da er
über eine äußerst sichere Technik verfügt, die er durch unermüdlichen Fleiß geübt,
ähnlich einem Bauer, der seinen Acker pflügt, sind bei ihm Gefühl und Arbeit fast ein
und dasselbe. Aber es wäre ein Irrtum zu glauben, daß das Handwerk genügte, wenn
das Dämonische fehlt. Ist das der Fall, wird Courbet kalt und unpersönlich. Ist hin-
gegen das Dämonische da, da ersetzt es alles Fehlende. Ingres, durch den Haß nicht
blind geworden, hat Courbets Kunst zutreffend gekennzeichnet, wenn er sagt: »Er sieht
in einer Harmonie, deren Farbenwahl willkürlich ist, Wirklichkeiten, die so zusammen-
hängend unter sich sind, daß er eine Natur schafft, die anscheinend energischer ist als
die Wahrheit«. Auf den »Demoiselles de la Seine« auf der »Eingeschlafenen
Blond en« (Sammlung Matisse) wirken das Lyrische der Materie, die Freude an tierischer
Gesundheit. Die begeistert diesen grobschlächtigen, in den Rauch seiner Pfeife ge-
hüllten Kerl, der nun fähig ist, auch die feinsten Nuancen zu empfinden. Man sehe
nur das Weiß und das Grau in den Kleidern auf dem erstgenannten Bilde oder die
Modellierung des Körpers in dem letztgenannten.
Ob diese Kunst, die sich nur am Äußeren der Dinge entzündet, die nur das Materielle
in der Welt hervorhebt, Jedem gefallen kann? Sie steht da wie ein Felsen, gerundet
und fest, ohne Problematik und ohne Entwicklung. Diejenigen, die hinter dem Werk
die Seele des Künstlers suchen, erfüllt solche realistische Vollkommenheit ein wenig
mit Langeweile. Daher ist Courbet ein Maler für Maler, aber kein Maler für Schrift-
steller.

Gustave Courbet

Blumen


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Sammlung J. Goldschmidt, Berlin
 
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