Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929
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Heft 22
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Allessandro Vittoria. Vermutlich Porträt des Malers Palma Giovane
Terrakottabüste. Höhe 38 cm
Versteigerung der Galerie eines Wiener Sammlers am 3. Dezember durch Rud. Lepke, Berlin
SAMMLER UND MARKT
DAS SAMMELN VON BUCHEINBÄNDEN
Es ist eine bekannte Tatsache, daß schöne alte
Bucheinbände zu den seltensten Erwerbungen des
Bücherliebhabers gehören und daß, je weiter die
Zeit fortschreitet, bessere Erzeugnisse dieser Kunst
immer schwerer zu erwerben sind.
In der Zeit von Grolier und Franz I. wurde das
Buchbinden zu einer Kunst, die, aus mittelalter-
lichen Traditionen sich entwickelnd, Anregungen
in dem Gönner tum der Herrscher und Standes-
personen des französischen Plofes fand. Die wun-
dervollen Einbände der Renaissance oder die reich
gepunzten Schnitte der späteren Zeit beweisen,
bis zu welcher Schönheit und Eleganz der franzö-
sische Buchbinder seine Kunst erhob. Die dies-
jährige Ausstellung von Bucheinbänden in der
Pariser Bibliotheque Nationale zeigte einen Reich-
tum an Schmuckformen, die Ehrfurcht einflö-
ßend war. (Siehe Cic. Heft ro.)
Bei der Beurteilung von Einbänden besagt natür-
lich die Qualität der Ausführung sehr viel für den
Wert und die Seltenheit, wie ja überhaupt die
schönsten Kunstwerke immer am schwierigsten zu
bekommen sind. Für das Auge des Kenners bedeu-
tet die Feinheit der Bearbeitung dasselbe, was die
Valeurs, was Farbe oder Komposition bei einem
guten Gemälde sind. In der Beziehung kann jedes
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Land für sich eine besondere Wertschätzung für
die Gestaltung seiner Bucheinbände fordern.
Italien, das vom Orient das Gold — Punzen nach
Europa einführte, nimmt in der Geschichte dieser
wundervollen Kunst während der Renaissance eine
starke Stellung ein; als der Bucheinband eine
solche Eleganz zeigte, daß die Frage entstehen
konnte, ob die italienischen Einbände dieser Zeit
nicht alle anderen an Schönheit und Schmuck
übertroffen haben. Die Ähnlichkeit in der Be-
arbeitung in Frankreich und Italien zur Zeit Gro-
liers ließ neuerdings die Frage auftauchen, ob die
französischen Buchbinder den Schnitt der Bücher
von den Italienern übernahmen oder ob franzö-
siche Vorlagen in Italien kopiert wurden. In letz-
ter Zeit ist darüber viel geschrieben worden und
E. P. Goldschmidt widmet in seinem ausgezeich-
neten Werk über die Einbände der Gotik und
der Renaissance diesem Problem ein ausführliches
Kapitel im Zusammenhang mit den Einbänden,
die für den großen deutschen Sammler der Re-
naissance, Nicolas von Ebeleben, gefertigt wurden,
der sich Bucheinbände im Grolier-Stil in Bologna
hatte machen lassen, nach seiner Abreise aus Frank-
reich. Diese Ebeleben-Einbände im Grolier-Stil, von
denen einige Exemplare bekannt sind, bilden ein
wichtiges Verbindungsglied in diesem Problem.