Die Bucheinbände in Deutschland behielten noch
lange ihren gotischen Charakter bei und erst im
späten i.6. Jahrhundert wurde der deutsche Künst-
ler fähig, den starken Einfluß des Mittelalters zu
überwinden. Als er das tat, war er direkt durch
das Schaffen in Frankreich und Italien beeinflußt
und manche der nachgeahmten Einbände haben
einen durchaus lateinischen (romanischen) Cha-
rakter. Man beachte den 1871 in Augsburg aus-
geführten Einband, der durchaus im Stile des
während der Frührenaissance in Frankreich ge-
bräuchlichen »Platteneinbandes« gehalten ist.
In letzter Zeit, seitdem mehrere Bücher über dies
Thema erschienen sind, ist das Interesse für goti-
sche Einbände gewachsen. Neben diesen, die durch
ganz Europa, besonders aber in Deutschland und
Österreich, in den verschiedensten Klöstern ge-
schaffen wurden, besteht die Art der mehr oder
minder gebräuchlichen Kalbslederbände mit ge-
preßten Bildern, deren Vorwürfe der Miniatur-
malerei oder den illuminierten Stundenbüchern
entnommen sind. Diese Art Einbände kann zu
den seltensten gezählt werden, da viele im Laufe
der Zeit durch das Anfassen entzwei gegangen
sind. Darum gibt es nur noch recht wenige
solche Exemplare, die von John Beynes
in London, Siberch in Cambridge, Pierre
Gypot und Jean Norvins in Frankreich
und von den andern bekannten Einband-
künstlern in Belgien, Holland oder Deutsch-
land gefertigt wurden. Während der spä-
teren Renaissance schuf Deutschland mit
Hoffot, Raber, Thomas Reuter und andern
dieselbe Art Einbände, aber in dem dauer-
hafteren Schweinsleder, die mit histori-
schen Bildern, Porträts oder Allegorien
geschmückt waren.
Heute, in unserer Zeit der modernen Sach-
lichkeit, hat sich die Einbandkunst weit
von den Ereignissen entfernt, die früher
als lokale oder nationale Geschehnisse
wichtig für sie waren und die nun den
alten Einbänden eine romantische Ver-
klärung verleihen. Es wird einer späteren
Zeit überlassen (bleiben müssen, ob der
Sammler füs diese modernen Einbände des
20. Jahrhunderts große Summen anzulegen
gewillt ist. Bibliopolis
Wiener Sammlers, die bei Lepke ausgeboten
werden. An erster Stelle ist die Sammlung des Kom-
merzienrats Otto Held, Berlin, die am 5. Dezem-
ber aufgelöst wird, wegen der hohen Qualität ihres
Bestandes, darunter wichtige Bilder des iö. und
16. Jahrhunderts, zu nennen. RepräsentativeWerkc
der deutschen Kunst sind die aus der Sammlung
Weber stammende Madonna vom Meister des Ma-
rienlebens, zwei vollsignierte und i5i8 datierte
Bildnisse des Hans von Kulmbach und eine eben-
falls früher bei Weber gewesene Verkündigung,
die neuerdings dem Augsburger Leonhard Beck
zugeschrieben wird. Die italienische Malerei ist
lediglich durch eine heilige Familie in Landschaft
von Moretto, die spanische durch eine heilige Ka-
tharina von Murillo, etwa i65o entstanden, vertre-
ten. Von der holländischen Malerei sind zwei Ge-
biete bevorzugt, das Porträt und die Landschaft.
Unter den Porträtisten fallen vor allem die Rem-
brandt-Schüler, wie Ferdinand Bol mit einem frü-
hen Jünglingsbildnis, Govaert Flinck mit einem
vollbezeichneten Brustbild einer jungen Dame, Ni-
colaes Maes mit zwei weiblichen Bildnissen aus der
Spätzeit auf. Von den Landschaftern sind Goyen,
BERLINER VERSTEIGERUNGEN
Standen die Versteigerungen bei Gassirer
im Oktober und November im Zeichen
der italienischen Kunst, so bringen die De-
zemberauktionen vor allem Sammlungen
niederländischer, hauptsächlich holländi-
scher Malerei auf den Markt. Gute Hol-
länder, gesucht wie je, bilden den Haupt-
teil der Sammlungen Held und Tritsch,
die bei Gassirer, und der Galerie eines
Augsburger Bucheinband 16. Jahrhundert