Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0709
DOI issue:
Heft 23
DOI article:Neugass, Fritz; Waroquier, Henry de [Honoree]: Henry de Waroquier
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0709
er fand jetzt einen Meister, der ihn führen, den er weiterdenken und dessen Spuren
er folgen konnte: Cezanne. Dank dieser Offenbarung wird seine Fläche zur Tiefe,
seine Linien verdichten sich zu Volumen, seine japanischen Harmonien werden durch
eigene Rhythmen ersetzt und die Lyrik seiner Bilder wird durch liebevolles inniges
Studium der Natur zu einer schönen tönenden Prosa.
Auf seinen Reisen in Italien und Spanien begegnet Waroquier Giottos Fresken in Assisi
und Padua und den Werken Grecos. Hier fand er sich aus den verzauberten Gärten des
Orients zur Wirklichkeit zurück. Seine Bilder gewinnen an Realität, die Formen werden
akzentuierter und die Harmonie wird klangvoller und reicher. Er notiert sich in zahl-
reichen Skizzen die Architektur und die Landschaft, skizziert in seinen Aquarellen die
farbigen Valeurs und schafft zu Hause die großen Kompositionen, die eine endgültige
Geschlossenheit und eine letzte Abrundung zeigen. Bei allen seinen Bildern ist die
innere Struktur das wesentliche Moment des Bildganzen. Meist ist eine innere —■ wenn
auch oft unsichtbare — Achse vorhanden, um welche die Färb- und Linienwerte in
wohlausgeglichener Abstufung geschichtet werden. Ein herber männlicher Charakter
spricht aus allen seinen Bildern, seien es Landschaften, Stilleben, Akte oder Porträts.
Eine dunkle Palette mit vollen, satten Farben erweckt bisweilen in seinen Landschaften
eine magisch dämonische Stimmung, zumal helle Lichtreflexe in der Wolkenbildung
die Wirkung der architektonischen Silhouetten erhöhen. Die gewitterschwüle Geladen-
heit dieser Bilder, die starken Kontraste von Hell und Dunkel wirken oft beängstigend
auf den Beschauer und bezeugen ein künstlerisches Temperament, das tief und innig
mit der Natur verbunden ist und in der größten Einsamkeit am stärksten seinen eigent-
lichen Charakter vermittelt. Die Materie Waroquier ist kostbar und edel. Wenn auch
bisweilen ein warmer Galerieton an alte Meister erinnert, so ist doch der Schmelz
seiner Farbe wie leuchtendes Email und dank der starken Helligkeitswerte durchaus
persönlich und originell. Die meisten Bilder Waroquiers wirken in ihrer endgültigen
Form oft wie Museumsstücke und verlangen vom Beschauer auch als letzte Ausdeutung
eines künstlerischen Problems betrachtet zu werden.
Paul Cezanne Bildnis des Malers Achille Emperaire. Zeichnung. 1867
Aus dem Besitz des Graphischen Kabinetts, München (G. Franke)
er folgen konnte: Cezanne. Dank dieser Offenbarung wird seine Fläche zur Tiefe,
seine Linien verdichten sich zu Volumen, seine japanischen Harmonien werden durch
eigene Rhythmen ersetzt und die Lyrik seiner Bilder wird durch liebevolles inniges
Studium der Natur zu einer schönen tönenden Prosa.
Auf seinen Reisen in Italien und Spanien begegnet Waroquier Giottos Fresken in Assisi
und Padua und den Werken Grecos. Hier fand er sich aus den verzauberten Gärten des
Orients zur Wirklichkeit zurück. Seine Bilder gewinnen an Realität, die Formen werden
akzentuierter und die Harmonie wird klangvoller und reicher. Er notiert sich in zahl-
reichen Skizzen die Architektur und die Landschaft, skizziert in seinen Aquarellen die
farbigen Valeurs und schafft zu Hause die großen Kompositionen, die eine endgültige
Geschlossenheit und eine letzte Abrundung zeigen. Bei allen seinen Bildern ist die
innere Struktur das wesentliche Moment des Bildganzen. Meist ist eine innere —■ wenn
auch oft unsichtbare — Achse vorhanden, um welche die Färb- und Linienwerte in
wohlausgeglichener Abstufung geschichtet werden. Ein herber männlicher Charakter
spricht aus allen seinen Bildern, seien es Landschaften, Stilleben, Akte oder Porträts.
Eine dunkle Palette mit vollen, satten Farben erweckt bisweilen in seinen Landschaften
eine magisch dämonische Stimmung, zumal helle Lichtreflexe in der Wolkenbildung
die Wirkung der architektonischen Silhouetten erhöhen. Die gewitterschwüle Geladen-
heit dieser Bilder, die starken Kontraste von Hell und Dunkel wirken oft beängstigend
auf den Beschauer und bezeugen ein künstlerisches Temperament, das tief und innig
mit der Natur verbunden ist und in der größten Einsamkeit am stärksten seinen eigent-
lichen Charakter vermittelt. Die Materie Waroquier ist kostbar und edel. Wenn auch
bisweilen ein warmer Galerieton an alte Meister erinnert, so ist doch der Schmelz
seiner Farbe wie leuchtendes Email und dank der starken Helligkeitswerte durchaus
persönlich und originell. Die meisten Bilder Waroquiers wirken in ihrer endgültigen
Form oft wie Museumsstücke und verlangen vom Beschauer auch als letzte Ausdeutung
eines künstlerischen Problems betrachtet zu werden.
Paul Cezanne Bildnis des Malers Achille Emperaire. Zeichnung. 1867
Aus dem Besitz des Graphischen Kabinetts, München (G. Franke)