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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 24
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Leporini, Heinrich: Französische Kunst aus vier Jahrhunderten: Ausstellung in der Wiener Albertina
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0736

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gewordenen Geschmackskultnr stehend, die höchste Verfeinerung aller technischen und
Formmittel niemals au!3er acht gelassen hat. Diese »Kunst guten Geschmacks« ist ja im
1 8. Jahrhundert gerade in den graphischen Künsten das allgemein anerkannte Vorbild ge-
worden, so daß Paris als die Schule der europäischen Kupferstecher Geltung erhielt.
Die Albertina-Ausstellung beginnt die lange Reihe mit Kostbarkeiten, welche heute
für den Sammler fast unerreichbar sind- so die phantastisch eigenartigen und fein aus-
geführten Stiche des Goldschmieds Duvet und die durch den kapriziösen Reiz einer
höchst verfeinerten Eleganz der Formen fast pervers-dekadent anmutenden Radierungen
des genialen Bellange, seltene Frühdrucke des abenteuerlichen Callot und Bravour-
stücke des virtuosen Technikers Mellan. Die feine Technik wird zur Tradition in der
Reihe der vorzüglichen Porträtstecher, deren Hauptmeister Nanteuil ist. Farbenfrische
Farbstiche des 18. Jahrhunderts bilden natürlich die am meisten der Mehrzahl der Be-
sucher zusagende Augenweide. Auch von der nach der französischen Revolution neu-
einsetzenden großartigen Entwicklung graphischer Kunst sind Arbeiten der größten
Meister in meist sehr seltenen und kostbaren Drucken zu sehen.
Die eigentliche Seele des künstlerischen Schaffens von vier Jahrhunderten enthüllen
aber auch hier die Handzeichnungen, Meisterwerke, wie sie kaum eine der großen
französischen Sammlungen in solcher Zahl und Qualität auf zu weisen hat. Zeich-
nungen von Beilange und Callot zeigen noch den gärenden Werdeprozeß, dem die
Abklärung in der klassisch stren-
gen Formensprache Poussins folgt;
von seinem unter dem Einfluß Ca-
ravaggios stehenden Zeitgenossen
Lorrain sind eine Reihe pracht-
voller Fandscliaftstudien ausge-
stellt, die neben den berühmten Ro-
kokozeichnungen der Albertina, die
ihr Begründer, Prinz Albert von
Sachsen, gelegentlich eines Be-
suches seines Schwagers, Fud-
wig XVI., noch vor der Revolution
in Paris zu erwerben Gelegenheit
hatte, zu den am meisten bewun-
derten Blättern gehören. Einen be-
sonderen Glanzpunkt bietet aber
auch die Reihe von Zeichnungen der
großen Meister des ig. Jahrhun-
derts, durchweg Neuerwerbungen
des letzten Jahrzehnts, aber heute
auch schon Kostbarkeiten, wie sie
am Kunstmarkt f ast nicht mehr Vor-
kommen. So kommt der in den letz-
ten Jahren erfolgte grandiose Aus-
bau der Albertina, die Ergänzung
besonders hinsichtlich derKnnst des
19. Jahrhunderts in bedeutsamer
Weise zum Ausdruck, in dieser Aus-
stellung einer nicht nur konser-
vierten, sondern auch lebendig er-
haltenen Sammlung.
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