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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Sonderheft Kunstliteratur
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19. Jahrhundert
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Die Kunst des Ostens
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0800

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19. Jahrhundert / Die Kunst des Ostens

zen, stehen, wie sie den Kopf auf den Schultern
tragen, wie sie ihn neigen, wenden. Die leisen Dre-
hungen des Kopfes zum übrigen Körper, die Hal-
tung und Gebärde der Hände usw. ergeben immer
neue, figurale Konstellationen«. Oder »Die Ara-
beske, das heißt die gefühlsmäßig gefundene
Kurve des Umrisses, ist bei Ingres ebenso wie bei
den gotischen Meistern das Bestimmende. Es wird
ein Gesamtumriß gesucht, eine Körperkurve, die
Anmut, Herbigkeit, Stolz usw. ausdrückt, die dann
besonders bei der Gewandfigur durch die Binnen-
form unterstützt, gegliedert und kontrastiert wird.
Zu der Arabeske trat nun bei Ingres ein neues Ge-
fühl für das Bäumliche des Körpers, für die Fülle
der Form, das Bronzehaft-Ausgegossene«.
Würtenberger nimmt zur Kunst unserer Zeit
einen kritischen Standpunkt ein. Auch wenn man
diese Auffassung nicht teilt, versteht man, daß ein
Maler, der die skulpturale Formung in der Male-
rei, die Überwindung der Fläche, über alles wer-
tet, zu einer Negation impressionistischer und ku-
bistischer Tendenzen kommen muß.
In diesem Buch überrascht im Gegensatz zu ande-
ren Büchern von Künstlern, die meist Empfin-
dungshaftes unsicher zum Ausdruck bringen, die
strenge Logik der Schlüsse. Sascha Schwabacher
ADOLF FREY: DER TIERMALER RUDOLF
KOLLER. Zürich und Leipzig. Orell Füssli,Ver-
lag. 1929.
Zum 100. Geburtstage dieses bedeutenden, durch
seine Beziehungen zu Arnold Boecklin in weite-
sten Kreisen bekannt gewordenen Schweizer Ma-
lers, erscheint, kunsthistorisch von Prof. Hermann
Uhde-Bernays verständnisvoll eingeleitet, die längst
vergriffene Biographie neu, die ihm sein Freund,
der Schweizer Dichter Adolf Frey, gleich nach sei-
nem Tode, 1906 geschrieben hatte. Damals war es,
weil das dichterische Wort und die Schilderung
der sehr interessanten Lebensgeschichte das We-
sentliche an diesem Buche war, eine Biographie
ohne Abbildungen. Jetzt ist es eine richtige Künst-
lermonographie geworden, mit annähernd 5o sehr
schönen Wiedergaben von Kollers Hauptwerken
nach Gemälden, Zeichnungen und Radierungen.
Freys Text ist unverändert geblieben, über Kol-
lers Kunst und seine Stellung in der Kunstge,’-
schichte, im schweizerischen und deutschen Kunst-
leben, unterrichtet die Einleitung von Uhde-Ber-
nays. Ein Spezialist auf dem Gebiete der Tierdar-
stellung war Koller, fast so ausschließlich Spezia-
list wie seine großen künstlerischen Ahnen, die
Holländer, etwa Paul Potter, es gewesen waren.
Und doch immer ein ernster, auf die Avahren male-
rischen Probleme bedachter guter »malerischer«
Maler. Sein Leben liest sich sehr spannend und
schön. Wir haben nicht allzu viele derart intime
Künstlerbiographien. E. Waldmann


CHARLES BOREUX: L’ART EGYPTIEN. G. van
Oest. Paris und Brüssel 1926.
64 Lichtdrucktafeln geben einen Überblick über
die Schaffensgebiete der ägyptischen Kunst. Diese
Tafeln sind besonders willkommen, weil sie zum
großen Teil hervorragende Stücke aus den reichen
Schätzen des Louvre bringen, die vielfach gar nicht
veröffentlicht oder in schwer erreichbaren Zeit-
schriften zerstreut sind. Der Text will die Tafeln
begleiten und die zum Verständnis nötigen Unter-
lagen bieten. Er bemüht sich also weniger um neue
Erkenntnisse, so daß sich ein näheres Eingehen auf
Einzelheiten erübrigt. Nur zur Schilderung der
Amarnakunst sei in aller Kürze Einiges bemerkt.
Die in der Tat innerhalb der Amarnakunst vorhan-
denen starken Gegensätze zwischen realistischem
und idealistischem Stil glaubt Verf. so deuten zu
können, daß die Künstler von Amarna im Relief
realistisch, in der Rundplastik idealistisch gearbeitet
hätten. Diese an sich schon ganz unmögliche These
wird geradezu ad absurdum geführt sowohl durch
die neuerdings in Theben ans Licht getretenen Sta-
tuen aus den ersten Jahren Amenophis’ IV., die den
Realismus auf die Spitze treiben, als auch durch
Reliefs von der Art der farbigen Berliner Skizze
des Morgenspaziergangs des Königspaares, eines be-
zeichnenden Beispiels des idealistischen Stils. Die
Erklärung des Befunds ist auf ganz anderem Wege
zu suchen. Beide Stile stehen vielmehr in zeit-
licher Abfolge zueinander. In den ersten Jah-
ren, die dem Bruch mit der Vergangenheit folgen,
kann der König sich nicht genug tun in der Abkehr
von der »Schönheit« des bisherigen Stils und der
Ausbildung des neuen Realismus. Dieser Periode
gehören die jüngst entdeckten Werke aus Theben
an, wo der König vor der Neugründung von Amarna
nur wenige Jahre residierte, aber auch die Reliefs
der Gräber von Amarna, deren Anlage der König
noch von Theben aus befahl.
In den späteren Jahren Amenophis’IV. wandelt
sich der realistische Amarnastil in einen idealisti-
schen, der die Reformationszeit überlebt und noch
die Zeit Tutanchamons so völlig beherrscht, daß
sich Werke seiner Zeit nicht ohne weiteres von
solchen aus den letzten Jahren Amenophis’ IV.
unterscheiden lassen.
Mit der hier gegebenen Deutung erübrigt sich auch
die unmögliche Böreuxsche Konstruktion eines
Gegensatzes zwischen religiöser und profaner Kunst.
— Noch ein Irrtum sei berichtigt. Die farbige Büste
der Königin Nofretete aus Amarna ist nicht wäh-
rend des Krieges nach Deutschland gelangt, son-
dern ist auf Grund des von der ägyptischen Alter-
tümerverwaltung und dem Vertreter der Deutschen
Orient-Gesellschaft Unterzeichneten Teilungsproto-
kolles der Ausgrabungsergebnisse bereits vor dem
Kriege nach Berlin gebracht worden.
Walther Wolf

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