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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Juli bis Dezember)

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Juli
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N'.-161. Mittwoch, II» Juli



Die Freiburger Zeitunr; und der
Nltramontaniöuius.

Wegcn ei'ncS Zlrtikels i'n Nr. 62 dcr
Frei'burgcr Ztg.: „Di'e nahendc Entschci-
dnng"/wnrde l'ckanntlich die Ncdakti'on
nnter Anklage grstrllt, anf welchc di'c
großh. Staatsbehörde, wie wir schon nu't-
gcthcilt, spätcr wicdcr verzichtct hat. Dic
Anklage war nnter Andercni dahin be-
grnndet, daß dnrch dcn Angrifs anf „die
Macht anßcrhalb dcs Staaies, die allen
Fürsten gcgcnnber eincn gottverlichenen
Vorzug bcansprucht", nnd wclche Macht
von dcm Verfasser bes Artikels als dic
Partei des U l t r a in o n t ä n is ni u s
nähcr 'bezeichnct wird, — „die katholische
Kircbe als solche, die Träger ihrer Macht
und ihrc Dicner gciiieint scien." Dic
Vcrlheldlgnng hat di'csc Aiiölcgling zn
widcrlcgen gcsncht, nnd die „kalholische
Kirchc nnd ihrc Dicner" nachdrnckli'ch
gegcn cinc Verwcchslung wit der „Partci
des Ultralnolitanisilins" verwahrt. Es
diirfte vi'elcn nnserer Lcscr von Interessc
scin, die betrefsende Stelle der Verthei-
dignngsschrift kcnnsn zu lernen, daher wir
sie iin Auszng ini'tibci'len. Sic lantet:
„Jst diesc Parici ein Stand? cine Classc ?
eiiikGcnosscnschaft? nnd zwar von Staats-
bnrgcrn? Dicse Partei rckrntirt sich ans
allcn Ständen. ans allen Classen, aus
alken Gcnossenschaften vnd nicht bloß aus
deni kleiiien Baden, sondcrn ans dem
ganzcn Crdcnrniid. „Icnseits der Bcrge",
drüben nber den Alpen, wo Deutschland,
scin Recht nnd scinc Freihcit aushört,
dorthin verlcgt nian gkinel'ni'gll'ch den Mit-
telpnnkt d^cser Partei. Unter Ultranion-
tanisnius stcllt nian sich ni'cht eininal ci'nc
kirchtnrcchtlich vertretrne Ni'chtiing vor,
nicht den Gegensatz znr Nationalki'rche oder
znm Epi'Skopalspstcw, sondcrn lcdigl'ich cin
Beßreben, die Dbcdicnz znr rönii'schcn
Kirche in cin Unterthünl'gkritsvcrhältiiiß
zn dcr answärtigen Macht dcs Papst-
thnnis zn erwcitcrn. Dieses Bcsirebcn,
dem Papstthnm zn ciner ihni ni'cht znkew-
meiiden Herrschaft zn vcrhclfen, 'hat ciiien
andern Ansd^nck in dcn vereini'gten Staa-
tcn von Nordawerika odcr Bclgien, als
in Ocsterrci'ch, ciiicn andcrn i'n Cpaiiien,
als ,'n Prcußen, ci'ncn andcrn nntcr dcn
Eourbvncn, als nnter dcw Vonapartis-
mus, eincn andcrn vor, als nach dcni
Utztcn italienifchcn Kricgc. — Es -ist ge-

schichtlich fcstgestellt, daß dcr Ultrainon-
tanl'sinns deni zwciten Dcceniber geschnici-
chclt, ccks er in Sardini'en gegcn die Sic-
cardischcn Gesctzc vorging ;' daß cr in
.England nin die Mai'noth-Bill känipft,
während er in Noin snnge Mvrtära's
bekchrt; däß er sich bewilligcii läßt, wo
cr nicht nehinrn kann, nnd daß er niinnit,
wo cr krincn Widcrstand findet; daß cr
in Spanicn die Kirchengiitcr in Staats-
rcnten vcrwandcln läßt, währcnd er sie
iii Süddcn'tschland selbst verwalten will;
daß er ,'n Posen gegen die Verfassnng
schürt nnd in der Schweiz den Sondcr-
bund hegt. Alles bnbita tempoinm rn-
tioii«. Jn Nnßland nnterdrnckt, füllt er
iii Neapel dic Staatsgefängnisse, ans
Schweden verbannt, kalholisii t cr in Tp-
rol den Grnndbesitz, in Noin von fran-
zösischrn Bafoiinctcn ninstairt, hnldigt cr
in Florcnz dem pri'iizlichcn Statihaltcr
ciiicö königlichcn Länder-Ränbcrs, wäh-
rcnd cr in der Aemili'a nntcr dcm sulUaKo
uinv6r8c;l senfzt, schnltclt cr in St. Gallcn
dic Wahlnrnc. Zn Damasknö läßt er die
Jndcn folrcrn, i'm Zillerthal dic Protcstan-
tcn auswandcin, anf der grnnen Jnscl
vcrhäkschelt er das mcnschliche Elcnd iind
im verstärkten Reichsrath die stolzen Ba-
rone. Daö ist der Ultraniontanismns, der
in der Lombardeideii'Krenzzilg gegcnOester-
rbich predigt, in Toskana in der Person
der Familie Madai die Bibcl vernrrhcilcn
läßt,inFrankrei'chdikprotest.Kirchen schlicßt,
die Dalbcrg nnd Wesscnberg anf dcn Ocl-
bcrg schleppt, nntcr dessen Munisiccnz die
Hnrter nnd Sigwart schattcndes Dach gc-
fundcn. Es kaiiii hicrnach. nichts ferner
liegcn, als di'e Mci'niing, daß dcr Ultra-
niontani'smns das Cri'teriiim eiiics Stan-
dcö nnter den badischen Stäaröbürgern
sei, nnd' keiii badischcs Strafgesetz darf
znin Vorwand dienen, ciner römischen
Partei dic Sanction der Unvcrletzlichkcit
zn erlheilcn. Die kalholische Kirche aber
ist nicht nltramontan. Sie ift i'n Dcntsch-
land dcntsch, in Frankrcich gasll'kanisch nnd
nnr ini'Kirchcnsiaat ist sie znglcich papst-
lich. Sie soll keinc Macht „anßerhalb dcö
Staatcs sein" und nicht gegcn dcn ba-
dischcn Clrrns wird gcwarnt, wcnn vor
diescr Macht anßerhalb des Staatcs gc-
warnt wird. Kcin badisches Gcsetz erklärt
dic katholische Kirche fnr cine answärtigc
Macht, nnd 'der böchste Würdciiträgcr der
katholischcn Kirchc ist so gnt ein Un-

tcrihan des Großherzogs, als der nicdcrste
Diözcsangcistliche. DieAmphibolic zwkschcn
dcr 6<ies nnd dcr olreel'iontiki, die in der
Gcschichte schon zn sv viel tragischen Ka
tastrophen gefnhre hat, hat anch in dcur
badischen Convciitionsstrcitc Vcrdcrbe» ge-
droht. Man hat es versncht, den Strcit
zwischen öfscntlichen Gewalten mit cincm
Strcite übcr Dognien zn vcrwechscln. Man
idcntisicirteConvcntioii mitNcligion. Diese
Bcgriffövcrwcchsl nng ist in erwcitertcr Con-
seqncnz in dic Anklage nbergegangcn. Die
Anhänger dcs Ultranioiitaiiismns sind hicr
gleichbedcutcnd mit dcr Gcsammtheit der
N- itgIiedcrder katholisch cn Kirchedargestellt.
Viit dem gleichen Nechtc niiißte die groß-
hcrzogliche Staatsbchördc jcdc Schmähung
gegcn die Gegner dcr Cvnvcntioü von sich
anö vcrfolgcn, weil zn dicsen Gegncrn
dic große Mehrheit der zwciien Kamuier
gchört: eiiie Gcnossenschaft von Staats-
bürgern, wclche gcwiß so vicl Nccht äuf
dcn Schntz dcs §. 63l n. hat, als der
Stand dcs katholischcn Clcrns. Wir glau-
bcn hiernach gezeigt zu haben, daß der
grvßh. Slaatsanwalt nicht legitiniirt rst,
dic vorliegcnde. Anklagc zn erhcbcn, weil
kcin Stand von Staatöbnrgern, sondern
bloß eine Partei von dcr Freiburger
Zeitnng angcgriffcn wurde, die in dcr
großhcrzogl. Staatsbchörde kcine Verlre-
lnng hat.

D e ci t s ch l a n d.

Karlöruhe, 6. Inli. Mair spricht
hicr m,'t zirmlichcr Besiinimtheit von der
bevorstehendcn Verlobnng des mit seincm
Schwagcr, dem Hcrzog vo» Kobmg, zur
Zeit in London wcile'iidcn Prinzcn Wil-
hclm von Daden mit eincr englischen
Prinzessin.

KtirlSruhe, 9. Iuli. Gestern und
im Verlanf der letzteii Nacht wurden die
Dewohner dcr Nesidenz' wiederhvlt durch
Fencrlärm crschreckt. Es war in deni im
Mnscnmsgarten stehcnden Pavillon Fener
ansgebrochen, welchcs, anfänglich nn-
scheinbar, sich so rasch verbreitctc, daß der
ganze Dachstnhl nnd Plafond des Mittel-
banes ein Nanb der Flammen wurde.
Dcr zwcitc Feiierruf erscholl in dcr lcp-
ten Nacht knrz nach Mitternacht. Es
brannte in dem Scitcnban dcs Salzer'schen
Hanses (Eckhans der Langcii- und der
Karlsstraße, dem „Dcntschcii Hof" gegen-
 
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