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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Juli bis Dezember)

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September
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https://doi.org/10.11588/diglit.2834#0303

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Heidelbrrger TaMatt.

22N.

>,ch. Prei. u.,.,IUi»balttmg.bIc>l!vicr>c.

Freitag, 28. September


EinlMmg zmn Äbonnelnent.
Heideibevgee Tagbintt

nebst wöchcntlich dreimaligem Unterhnltungsblcitr,

Slbonncmentspreiö vlcrtrljährlich 36 kr. niit Postaufschlcig 54 kr., Ziisertionsgrbnhren snr di'c Zspalti'ge Peti'tzeile 2 kr.,
ladcn wir zur Bcstcllung für daS lV. Ouartal 1860 ci».

^ ^ 'Hc! d? lberg im Scptcmbc!' 1860.^ ' ' Zldvlph Emltterlittg,

-i"k -Oesterreicb und die Reformen.

(Vcrgl. Nr. 219 d. Bl.)

Wriin wir in dein erstcn Thcile nnscrer
Abbandliing von eincr Zleiiderniig der öster-
rcichischen Politik nach Osten hin sprachrn,
so diirfte dics auf den crsteii Aiischein viel-
leicht befrcmdeiid kliiigrii, wcmi man be-
denkt, wie Oesierreich znr Zeit iin eigenen
Hause alle Hände voll zu lhnn hat. Die
so sehr ersehiitcn Nesorinen iin Jnnern nnd
jene angeregte Weiibnng der änßcrii Po-
litik liögen aber ganz nahc beisaiiinien.
Es ist die höchste Zcit, daß die vcrnn-
gliickte Jdce des ceiitralistrten Einhcits-
staates nach Schwarzenbcrgs und Bachs
Mnster siir iiiiuier verabschicdct n»d daß
dcr Kaiscrstaat auf der ihin, vcrinvgc
seiner coinplieirten Zlisaniineiisetziing, allein
angciiicffciien Grundlage eines Fvdcrativ-
staatcs neu rcstanrirt werdc. DieseS ist
nicht das Endc, sondcrn der Ansang der
in Ocstcrreich verheißencn Neforinen, wenn
diese nberhaupl zur That nnd Wahrheit
werdcn sollcn. Mit kleinen Modistcatio-
nen, init Aenderungen in Nebcnsachcn ist
es nicht inchr gcthan, wie sclbst die Ma-
jorität dcs Ncichsrathes anerkaiint hat.
Daß hiebei in dcr obersten Leitnng
der.Staalsangclegciiheiten eint starke Een-
tralgcwalt fortbcstchen kann und uinß,
unterliegt keinein Zweifel, weiin die in
Dksierreich nöt'higcil Nefornien nicht in das
Gegentheil ansartcn und das Auseiiian-
derfallcn dcs Kaiserstaats bcwirken sollcn.
Es gilt hicbei also hanptsächlich, die
rcchte Mitte, den kig'cnllichcn Schwer-
punkt zwischen der Centrisugalkraft dcr

einzelnen Kronländer nnd VolkSstäininc nnd
dcr Ceiitripedalkraft der oberstcn einheit-
lichcn Negierung zu stnden. Wir verkcn-
nen die außcrorr'entll'chcii Schwierigkciten
nicht, die stch in Oestcrrcich ciner ieden
solchen dnrchgrciseiideii Nenernng entgegen-
setzeif, allci'» cinnial innß hieniit der crnst-
lichc Anfang geniacht und die bis jctzt
ciiigeschlagcnc Bahn verlassen wcrdcn, aus
welcher, wic selbst für cin blödes Ange
crkeniibar ist, das Nndcr des Staates dem
Untergange zusteuert. Dic Staatsniäniier
Ocsterreichs niiisscn stch-zu einer rettendcn
Thai, zu einer Hci'llin.g Vcs krankcn staat-
lichcn Orgauisniiis ans die Gefahr von
sseben odcr Tod entschlicßcii. Noch ist die
ösierreichische Rcgicrnn.g in dcni Falle, dic
so drohende und zerrnttcte Lagc dcs Neichs
bcherrschcn zu köniicn; liber cin Kleines
diirfte stc dieses viellcicht ni'cht niehr vcr-
mögen, und köiinle an die Stelle ciner
Aera der Ncugestaltniig und ciiies zugleich
besonnencii und ciitschiedeiien Fortschrittrs
die Epochc ciner allgcniciiicn Verwirruiig
niid Hossiiiingslostgkeit treten.

Würdc aber die oben angeregte neue
Orgaiiisation des Kaisersiaates durchge-
führt,'so wäre hicvvn die selbstverständ-
lichc Folge, daß nicht nnr ein cngerc.r
Anschluß der dentschen Bundeslaiide Ocster-
rcichs an Gesaiiinitdeiitschland eher niög-
lich, sondern daß auch die Ungarn uiit
ihren dringendsteii Wüii schen befriedigt, uiid
eine ernruerte Zuiieigung der slavifchen
Stäinnie an dcr uiitern Donan eher zn
crwarten wärc, währcnd dcin die Letztercn
niit den unzilfricdcncn Ungarn zur Zeit

gciiieinsanic Sache inachen, ja sogar nach
anßen hin, näinlich nach dcni liiächtigsteil
Slavcnstaate, Nnßland, als ihrcni nati'ir-
lichen Schwcrpnnkt, stch anziilehiik'ii trachten.

Leider dürfcn wir jedoch, weiin wir die
jetzige Lage der Dinge niichtern betrachken
und uns keiiien rostgcn Jllustonen hin-
geben wollcn, nicht vtrkeiincn, daß gcrade
inr jctzigen Augeiiblickc, knrz vor der be-
vorstehendcn Zusaninienknnft init Rußlaiids
Kaiser in Warschan, die Negiernngsgcwalt
Ocsterreichs weiter als jc davon ciitfernt
ist, den dringcnde» Wünschen ihrcr Unter-
thancn, ja sclbst den ernstcn Mahnlingen
der ini Ncichsrath versaninieltcn Elitc dcr
Neichsaristokrati'e Fvlge zn lcisien. Wenn
nicht alle Anzcichen trügcn, wird nian die
Abwcndung dcr uäher uud nähcr rücken-
den Gefahren, die deni Kaiserstaate drohcn,
ni'cht in den so sehnlich crwartcten Nefor-
nien, nicht in einer dann zu Gebot stehen-
dcn cnglisch - preußisch - dentschcn Allianz
sucheii, sondern will eine Erleichteruiig
dcr äitßci'sten Noth viclinehr darin finden,
daß niaii stch von Neueni in dic Arine
deS Zarcn wirft, und uin diesen Preis
nicht nnr dic Ncforiilen ini Jniiern, son-
dcrn auch eiiie kräftigcre orientalische Po-
litik opfcrt. Die nächste' Zukunst bercits
wird Icbrcil, ob wir uns geirrt habcn
oder nicht. (Hnos vivus porllere vult
— llemeiitrit!)

D e u t s ch l a » V.

Karlörube, 25. Sept. Se. Großh.
Hohcit der Prinz Wilheli» hat für die
 
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