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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Juli bis Dezember)

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December
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https://doi.org/10.11588/diglit.2834#0547

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HndMerger Taglrlatt.

Nr 287.

Nch. Pre,S milU«lerb^>mgSblall vicrlt!.

Mittwoch, S. Dccember LL« 18««.


Telegraphische Depesche.

Turin, 1. Dez. Vi'ctor Emanuel ist
di'esen Morgen in Palcrmo cinqezogen,
von dcr außcrordentli'chcn Volksnieuge
enthusiasti'sch begrüßt. Das Dolk wollte
di'e Pfcrde ausspanuen uud den kvui'g-
li'chen Wagen zi'eheii. Man schätzt auf
mehr als 400,000 di'e Zahl dcr Personen,
welchc aus allen Theilen Sicili'ens ge-
konimen waren, um den Köiii'g von
Pi'emont zu begrüßen. Dcr König ver-
fügtc sich, bevor cr i'm Palaste absti'eg,
i'u di'e Kathedrale , wo cr von dem, Erz-
bi'schofe von Palermv fei'erllch empfangen
wurde. Der Köni'g cmpfing sodann di'e
constl'tui'rten Körperschaften und die
Mlliil'cl'paldeputatl'oiien Slci'll'ens. — Ei'n
Vertrag für gegeiiselti'gen Schutz des
literarischen Elgeuthumes i'st igestern i'n
Turi'tt zwi'schcii Piemont und England
abgcschlossen worden.

Deutschland.

Karlsr'uhe, 3. Dcc. Das heute er-
schi'eiieiie Negi'eruiigöblatt Nr. 61 enthält
Folgendes:

Friedrich,

vou Gottcs Giuidcii Großhcrzog von Aadcn,
Hrrzog von Fiihriiigcii.

Wlr siudcn U n s auf den Vortrag dcs
Zusti'zttii'iilsterl'lims vom 1. October und
dcs Krl'rgsiiil'nl'stcrl'ums vvm 21. Nov. d. I.
nach Anhörung,U nscres Staatsmlni'ste-
riums bcwogcu, soigenden Gnadenact zu
erlasscn und zu verkündcn:

8 l. Di'e Ministeri'en dcr Justiz und
des Kri'cgcs sind crmächtigt, allcn Unsere u
voriiialigcn Uuterthaueii des Civil- und
Militärstaiides, wclche wcgen dcs in den
Iahreu 1848 und 1849 begangeiicn Ver-
brcchcns dcs Hochverraths' und des Auf-
ruhrs zu einer Zuchthausstrafe von zwölf
Jahrcn oder wcuiger verurtheilt worden
siud, sofer» ni'cht ciu schwcrcs gemciucs
Verbrechcii damit zusammentrifft, auf ihr
Ansuchen diese Strafc zu crlassen m,d ihuen
dic üligehinderte Nückkchr in das Land zu
gewähreü.

§ 2. Ucbcr Begnadigungsgesuchc der zu
schwererer Strafe Verurthcilten haben die
Ministerien Vortrag an Unser Staats-
nsiiiisterilltti zu erstattcn, dämit Wir in
iedcm eiuzeliien Falle criiieffcn, ob ihnen
die gleiche Gnade verliehen werden kann.

§ 3. Wegen Erlassnng der Folgen der
Zuchthausstrafe und wegen Wiedererwcr-
bung des Staatsbürgerrechts für die Be-
gnadigten fiuden dic iu Un ser cr Bekaunt-
machung vom 9. Juli 1857 getroffcnen
Bcstini'mungeii Anwendung.

Gegebeu zu Karlsruhe, den 1. Dec. 1860.

Friedrich.

Stobel. Fudwiü.

Auf Sciiicr Königlichcn Hohcit höchstcn Bcfchl:
^^^ a rl ^III ^ l^rhöchst c^ Oi^ic

dcn Miliiär.VildungSansialtc» dcr Direction dersclbcn

Karlsruhe, 3. Dec. Am 30. v. M.
fand die Gkiieralversammluiig dcr badischen
Gesellschaft für Tabaksproduction und
Handel dahier statt. Dic Auwesendcn
habcn nach längerer und erschöpfcnder
Discussion dem Vcrwaltuiigsrath aufge-
geben, das Gcschäft in bisheriger Weisc
mit Energie fortzusehen.. Die Bilaiiz wurdc
mit ciiiem Nuhen von etwa 5000 fl. ab«
geschlossen, was im Verhältiiiß zum großcn
Kapital von einer Mitlion Guldeu aller-
dings sehr gersiigfügig ist; doch dieses
kleine Erträgniß ist dcr lang andauernden
Stagnatioii uud fallenden Tciideuz im Ta-
bakshandel zuzuschrtlbeu. Aus der Vor-
Icsuiig der Bilanz hat man wahrgcnommkii,
daß keincrlei Passiva restireu, dagegeu aber
ein Activum von ca. 870,000 fl.. woruuter
sich 550,000 fl. schlildenfreie werthvosie
Neali'rätcii uud Jiiveutarieii bcfiiideu uud
ein grelfbarer Bclricbsfoiid von ca. 320,000
Gulden.

* Heidelberg, 2. Dec. Dic neueste
Nummcr drs Dad. Ceiitralblaktes euthält
einen bimerkeiiswcrlheu Artikcl über die
von Großh. Haiidelöiiiliiisterium aufge-
stcllten Fragcn. Gcnaniites Vlatr hebt
besonders die Frage IV. hervor, beleuch-
tet die Folgen der Freizügigkeit in Bczug
!auf das Gcmeiiidelcbeii und sagt
> darübcr u. A.:

„Die Freizügigkeit dcs züuftigeii gc-
! wcrblrcibeiideii Badeners in Badcu ist jetzt
uur in so weit beschräukt, als die Erwer-
! l.'uug dcs Gcmeiiidcbürgcrrechtö an dem
Orte, wo der Gewcrböbetricb ausgcübl
werden soll, verlangt wird. Dic gesctz-
lichen Bcdiiigungcil zur Bürgcraufnahme

sind folgende: 1) Altcr vöu 25 Jahren.
2) Guter Leumund. 3) Nachweisung cines
bestimmtcn Nahrungszwciges. 4) Besitz
eines gewisscn Vermögens. 5) Entrichtung
eines Einkaufsgeldcs

Achnliche Bedingungen sinden auch bet
dem Antritt des aiigcborciien Dürg5rrechts
statt, nur sind sie in Bezug 'auf das
Erforderniß rincs guten Leumniides, eines
gewisskn Vermögcns und der Entrichtnng
cincs Einkaufsgeldes milder.

Was bewog aber wohl den Gesetzgeber
dazu, in Bezug auf dic Erwcrbung deS
Bürgerrechts durch Skufnahme andere
Grundsätze aiizunehmen, als in Bczug auf
die Erwerbung des Bürgerrechts durch
Geburt? Offenbar die Voraussetzung,
daß das Fortkommen in der Heimalh-
gemeinde lcichter sci, als an eineni fremdcn
Orte. Und dics war sicherlich kein ge-
wagter Schluß, da das elterliche Erbc,
die Kcnntniß der hcimathlichen Verhält-
nisse, der Besitz von Verwandten und
Freunden, welche Kundschaft gewähren,
wclche Credit geben oder durch einen gu-
ten Nalh Hilfe leisten, für den Gewerb-
treibenden sehr hoch anzuschlagen sind.
Hiezu mochte noch die weitcre Erwägung
koinmen, daß ein junger Mann an seinem
Hcimathöorte bei weilcm mehr daranf
bedacht sein muss, sich einer gutcn Auf-
führung zu bcfleißigen, als a» einem Qrtc,
wo er ungekannt sich dem Leichtsinn und
dcr Liederlichkeit üverlassen kan».

Im Allgemeincn sind also die Beengun-
gen in Baden bczüglich der Erwerbung
des Bürgerrechts durch Aufnahme nicht
erhcblich, ja man darf behaupten, daß der
Grundsatz der Freizügigkeit in dem Bür-
gcrrechtsgesetz gewahrt ist.

Wir geben gerne zu, daß vicle Gemeinde-
räthe mit allzu großer Härte bei Bürger-
aunahmsgesuchen verfuhrcn, nnd hiedurch
dem Geistc und Buchstaben des Bürger-
rechtsgesetzes zuwider handclten, aber an-
dererseils muß anerkannt werdcn, daß die
Staalöbchörden jeder Zeit solchc Härte
nicht aufkoiiimen ließen und mit Milde
und Humanität ihrc Entscheidungeil gaben.

Die Erwcrbung des Bürgerrechts durch
Aufuahine bildete besondcrs in den größern
Stadten einc sehr bedeutende Einnahme-
positivn, welche späterhin, wenn das
Dürgerrecht des Ortes nicht inehr für den
Gewcrbsbetrieb dasclbst vorgcschrieben ist^.
schr stark herabsinken wird. Wie wir
 
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