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Heidelberger Tagblatt — 1860 (Juli bis Dezember)

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December
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https://doi.org/10.11588/diglit.2834#0538

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D e u t s ch ! a n d.

Karlsruhe, 30. Nov. DaS hcutc crschlcncnc
RcgicrungSblcitt Nr. 59 cnthält:

I. Unmtltclbarc allcrhöchstc Entschlicstungcn Sr.
Aönigl. Hobclt bcS GrosthcrzogS. 1) OrdcnS-
vcrlcthung. Sc. Köntgl. Hohcit bcr Grosthcrzog
Habci/Sich gnäbigst bcwogcn gcfundcn, dcm H°l-
bomäncnkammcr'Dircctor Gch. Ratb Bcgcr bct scincr
Vcrscnung tn bcn Ruhcstand bcn Stcrn z» dcm tmic.
habcnbcn Commanbcurkrcuz mit Etchcnlaub bc^ Or.
bcnS voiir Zähringer Löwcn zu vcrlcihcn. 2) ^lcng.
nachrichtcn. Sc. Königl. Hohcit dcr Gr ° hh - rz ° g
habcii Sich untcrm 16. b. M. allcrgnabigst bcwogcn
gcfunbcn: bcn Dircctor Lcr Hofboinan-nkamincc, Gch
Rath Bcgcr, auf scin untcrthanigstcS Ansuchcn. untcr
Ancrkcnnuiig scincr wäbrcnd -N Lührcn dcm Slaatc
gclcistctcn trcucn und cifolgrcichcn Dicnstc. tn dcn
Rubcstand zu vcrschcu; bcn vrovilorischcn Obcrzoll.
-lnspcctorcn Tcubncr i» Ncufrcistctt und Fccht in Lub.
wtgShafcn dicsc Stcllcn bcfinitiv zu ubcrtragcn; bcn
Sccrctär I)r. Gustav Rottcck bci bcr Ncgicrung bcS
UntcrrhcinkrciscS z.mi Affcffor bci dicscr Stcllc zu
rrncnncn: bcn Kanzltstcn Fischcr bci dcrStcncrdircction
auf scin cbrcrbictigstcS Ansuchcn wcgcn vorgcrncktcn
AltcrS unb Kränkltchkcit in dcn Ruhcstand zu vcrschcn.
Sc Königl. Hobctt bcr Grofihcrzog hobcn Sich
untcr dcm 24. b. M. allcrgnädigst bcwogcn gcfundcn:
dic Obcrrcvisorcn BcrkcS, Buchcr, Volk unb Langcn.
bachcr bci dcr ObcrrcchnungSkammcr zu Obcrrcch.
nungSräthcn, bcn Calculator Mayr basclbst zum Nc>
visor zu crncnncn; bcm Stcucrrcvtsor Gcrnct tn
Konstanz dcn StcucrrcvtsivnS-Dicnst in KarlSruhc zu
nbcrtragcn; bcn Krcisstcucrpcräquator Abclc in MoS-
bach unb bcn Bnrgcrmcistcr Stciner in Konstanz zu
Stcucrrcvisorcn. unb zwar Erstcrcn in MoSbach, Lch-
lercn in Konstanz, zu crncnncn. (Schl. f.)

Karlsruhe, 29. Nov. Gestern fond
hl'er dic alljährliche Genkral-Versanunlnng
der slctionäre der Waghänselcr Zncker-
fabrik ftatt. Wie ans dein verlesenen Ge-
schäftsbericht hervorging, ivar das Er-
gebniß dcs verflvsscnen Geschäftöjahres
kein günstigcs. Bei der Nenwahl der
Dircction wurde anstatt dcs seitherigcn
Directions-Mitglicds Herrn von Herz, Hr.
O.-Gcr.-Adv. Ächenbach gewählt. (M.J.)

Karlsruhe, 28. Nov. Dic Karlsr.
Ztg. kommt heute zmn Schlnß ihrer'dnrch
viele Nilinern hindurchgchenden längeren
Slrtikel „über die Vcrfassungsverhältnisfe
der katholischrn Kirche." Der Vcrfasser
dicscs mehr in der Weise popillär-wisscn-
schaftlichen Vortrags als in journalisti-
fchein Tone gehaltenen Aufsatzes geht
hauptsächlich auf dcn gcschichtlicheu Be-
stand der christlichen Kirche in der Urzrit
zurück und sucht darans eine wcsentliche
Verschiedenheit der Verfaffuugsgruiidsätze
Lcs ursprünglichen nnd dcs jetzigen
Lkatholizismus zu begründen. Schließlich
schlägt er vor, daß inan gewiffc Prinzipien
aus jener Zeit hervorhcbe nnd ste nach
Maßgabe der jctzigen Verhältniffe zur
Geltung bringc." Jni Besondcrn wünscht
er die „Wicdcrherstellung einiger Laien-
rcchte" (Betheiligung an Spnoden nnd
an der Erncnnung der Geistlichen) und
„eine national-kirchlichc Organisation,"
welche „nicht so weit zu gehen branche,
daß sic von dem Papste Umgang nimmt."

Aus Baden. (Znr Gewerche-
frage.) Abstiinniungcn über die bekannten
1! Fragcn crfolgicn weiter in Neckar-

bischofshcim, Werthcim, Ettlin-
gen und Lahr. Bci Fragc 1 sprach stch
bei allen Versammluiigen die Majorität
zu Gunsten einer Gewerbtgesetzgebung auf
dem Grundsatz dciv Gcwerbefreiheit be-
ruhend aus. Bci 2 ficl die Abstiininung
gegcn Lchr- uud Wanderzcit aus, jcdoch
für dcn Nachwcis dcr Befähigung ziim
Gcwerbebetri'eb, insbesondcre bei dcnjeni-
gen Gewerben, bei welchen der ungcschicktc
Betrieb nachthcilig scin kann. 3) Allc
verlangten das 25. Lebensjahr behufs dcs
Gewerbsbctriebes. 4) Dcr Bcfitz des
vollen Bürgerrechts wurde beaiisprucht
(nur mit Ansnahme der Fäste des §'2l
des B.-N.-G.). 5) Frauenspersonen sostcn
iinter den nämlichen Bedingniigcn wic die
Männer zum selbstständigen Gewerbsbe-
trieb zugelasscn werdcn. 6) Angehorigen
der deutschen Bundesstaatcn sotten dic
gleichen Rechte eingeränmt werden, wclche
die Jnländcr in dcm betreffenden Lande
gcnicßen. 7) Die Gewerbsbefugniß sost
ohne Beschränkung bezüglich des Gewerbs-
bctriebs sein. 8) Der Haustrhandel sost >
gänzlich verbotcn wcrden. Nur Ettlingeu >
war für -Beschränkung auf gutbcleumun-
dete Personen. 9) Die Gewerbe sollen
in Ansehung der Art ihrer Ansübung ganz
frei sein; die polizeilichen Taren seien
aufzuheben. 10) Den Gewerbtreibenden
sost es übcrlaffen wcrden, frcie Geiivssen-
schaften zu bilden; dic von Staatswegen
augeordnrtcn Zünfte seien aufzuheben. 11)
Für die Errichtiing von Gewerbcräthen
uud Gcwerbegerichten sprachen sich aste
Vcrsammlungcn aus.

Bcrlin, 28. Nov. Ueber die im Stie-
ber'schen Proccß erwähnte Bchandlung
dcs sogcnannten Prinzen Leo von Armc-
nien wird der Magdeb. Ztg. gcschrieben:
„Prinz Leo hattc durch Herrn v. Man-
teuffel die Bcwi'lligung seines Aufeuthalts
in Berlin erhalten; nichts desto weniger
wurde er nach dreimonatlichem Anfenthalte
in Bcrlin fkstgenommen, als er km Beg.riffe
stand, von hier abznreisen. Am 22. Oct.
1855 wurdc er durch einen Criminal-
coiiimiffär nach dcm Polizeiprästdüim ci-
tirt mi't dcm Bcmerkcn, daß Hr. v. Hin-
ckcldep ihn zn sprcchcn wünsche; hier an-
gckominen, empfieng ihn abcr Stiebcr inkt
den Worten: „„Sie siud mein Arrestant,
nud Sie wcrden nicht von hier abrciscn,
nm Mißtrancu gcgen Nnßlaud zu errc-
gen."" Voste hnudcrt Tagc „„uuter 20
Schlüffeln"" im Gcfängniß fest gehalteu
und dann plötzlich entlaffeu, wurde ihm
auf sciue Fragc, mi't welchcm Nech.tc sciuc
Frcihcit verletzt sci, dic Antwort: mit dem
Nechte der hohcren Gewalt! Alö auf
seine Bcschwerde an dcn König Graf
Wartenslcbcn mit der Untersuchung be.
auftragt war und dic Anklagcaktc von
Stieber verlangte, verwcigcrtc lctztrrer
nntcr allerlci Eiitschnlbigungeii die Mit-
theiluug dcr Akten; er gab vor, fie dem

Staatsanwalt übermittclt zu habcn, wel-
cher auf Befragen mit tem größten Er-
staunen ausrief: ,,„Wie, die Akten bei
mir? Sticber hat gclogen!"" Und als
iiuii Graf Wartenslebcn dem StieberVor-
würfc über seine Handlungsweise machte,
erwicderte derselbe, die Akten seien —
verschwuiiden." Jn den neuesten Berliner
Blättern tritt nuu der zur Disposttion
gcstesttc erste Staatsanwalt beim Stadt-
gcrichte, Nörner, mit ciner Erklärung
hcrvor. Nach dcrsclben wäre der Prinz
von Armenien cin dcr öffentlichen Sicher-
hcit gcfährlicher Schwindler und Gauner
gewcsen, welche zur Klasse der Hochstap-
ler gchörte. Nach dcr älteren Gesctz-
gebung sei bisher die Polizci unzweifelhaft
befugt gcwesen, ein Subjcct dieser Art
festzunchmen und so lange zur Arbeit an-
zuhaltcn, bis dessen Persönlichkeit hinläng-
lich aufgcklärt gewesen sci. Jn solcher
Weisc sei in Hnndtrten von Fällen mit
Genehmigung dcr vorgesctzten Behörde
verfahrcn worden. Es lasse stch darüber
streiten, ob jene ältrre Bestimmnngen heut-
zutage noch giltig scien; das Polizeiprä-
fidkuin habc eben diese Ansicht gehabt.
Zuin Bewcis für das betrügerische Trei-
ben des Prinzen von Armeiiien führt Nör-
ner 13 Anklygepunkte aus, bci dcnen die
Beischaffnug der juristischcn Bcweismittel
Schwi'eri'gkcitcn grhabt zu habcn schcint,
wie aus folgender Stcste seiner Erklärung
hervorgeht: „Unwahr ist es, wenn Hcrr
Schwarck behanptet, ich hätte, als die
Aktrn gegen den Prinzen mir schließlich
vorgelegt wurden, die Eiiiltitung ciucr
Uutcrsnchung ablehncn müsscn. Der Prinz
war offenbar der Führuug falscher Titel,
Würden und der Auiiahme salscher Orden,
sowie der Beleidiguiig der Beamten über-
führt, welche er beschnldigt hatte, dieselben
seien vom Kaiser von Nußland gegen ihn
bestochen. Um die juristischen Bewcise
aber hierfür zu crbringen., hätten aber
uinfassende Bewel'sanfnahmen. in Paris,
Brüssel und Londvn erfölgen .müssen,
welchc dem Justizfouds eiiorme Kosten
verursacht hätten. Das Resultat wäre doch
znlctzt nnr eine gcringe Gcfänguißstrafe
gewescn. Jn solchen FäNen stud die Staats-
auwälte ausdrücklich vom Hrn. Justi'zmi-
nistcr instruirt, aus Zwcckmäßigkci'rsgrün-
den vou eiiicr gcrichtlichcn Verfvlgung
Abstand zu iiehincn, und lehnte ich ledig-
lich deßhalb cö ab, dcn Priiizen vor Ge-
richt zu stesten, zuinal er schon von der
Polizci längere Zcit verhaftct gehalten
war. )ch habe dies in inciucr bckrcffen-
den Verfügnng ausdrücklich ausgcsprochen.
Das Verfahrcu scbloß also mit dcr Ans-
weisung des Priuzcn, für dcn bi'Shcr nie-
inals eiiie Autorität eingetrctcn ist, was
gewiß der Fast gewesen wäre,. weii» er
keiu Betrüger war." Am Schlusse seiner
Erkläruiig theilt Nörner eine amtliche
Aeußcrung'' des Ober - StaatsanwalteS
 
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