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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Philippi, P.: Die Kunst im Hause
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0028

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Die Kunst im Hause.


ment. Von dem Zentrum, dem Speisetisch
aus, soll sich die Aufstellung der anderen Ob-
jekte gleichsam ableiten. Was die Stilart an-
betrifft, welche den Möbeln des Speise-
zimmers am besten zusagt, wäre allen anderen
eine ruhige, ernste Renaissance vorzuziehen.
Leider findet man gerade in dieser Stilart
Speisezimmermöbel, die ihrem Zwecke so-
wenig als möglich entsprechen. Da giebt
es unter dem Titel „Altdeutsche Renaissance"
kolossale Möbel, bei denen man, um zu den
oberen Thüren, Nischen und Fächern zu
gelangen, einer fünfzigsprossigen Leiter be-
darf, riesige Kredenzen, in und auf welche
man nichts wegen der vorstehenden Säulen
und Vorsprünge stellen kann, Tische, an
deren weit hervortretender Schnitzerei man

oder Lederimitation, welch letzterer Sitz oft
besser und dauerhafter als ersterer ist.* Die
Lehnen der Sessel sollen gerade sein, ohne
eine das Anlehnen hindernde Schnitzerei;
sie müssen etwas in einen stumpfen Winkel
zur Sitzfläche geneigt, und nicht zu hoch
sein, um beim Servieren nicht zu irritieren.
Die Kredenz, naturgemäß das Hauptstück des
Speisezimmers, muß, um ihrem Zwecke ganz
zu entsprechen, mehr in der Breite, als in
der Höhe entwickelt sein, oben kann immer-
hin eine Balustrade mit Dekorationsobjekten,
als Tellern, Schüsseln nnd Krügen w., an-
gebracht werden. Findet ein Serviertisch
in der Nähe der Thüre Platz, so ist dieses
Möbel nicht gut entbehrlich. Bon passenden
Gemälden wären Stilleben, Tierstücke, Alle-

behindert ist, und man sein Gegenüber nur
durch Körperverrenkungen zu Gesicht be-
kommen kann. Außerdem irritiert das von
vorne direkt in die Augen fallende Licht
bedeutend mehr, als das von oben kommende.
Es ist daher anzuraten, die Beleuchtung
durch einen über der Tafel hängenden Lustre
zu bewerkstelligen, nie aber durch an der
Wand befestigte Lampen.* Zugleich sei auch
auf die oft voluminösen Tafelaufsätze hin-
gewiesen, die ebenfalls den Ausblick über
den Speisetisch behindern. Bei Tages-
beleuchtung läßt sich schwerer ein günstiges
Arrangement treffen; ausgenommen, der
Speisesaal ist durch eine Oberlichte erhellt.
Dies ist wohl der denkbar günstigste Fall,
kommt aber selten vor. Man wähle als










Abb. 20. Bühne im Allolria-Nokal.

sich die Füße wund reibt, Sessel, deren höchst
unpraktische Lehnen und Sitze die Stelle von
Marterwerkzeugen vertreten. Alle diese An-
gaben scheinen stark übertrieben, und doch
kommen sie nur zu oft vor. Glücklicher-
weise macht sich in neuerer Zeit eine starke
Strömung gegen diese Übelstände geltend,
und hat man ja beim Einkäufe der Möbel
heute mehr als je Gelegenheit, eine Aus-
wahl treffen zu können.

Was den Speisetisch anbelangt, so ist
ein Ausziehtisch, je nach Bedürfnis größerer,
oder kleinerer Dimensionen, mit glatten ge-
drehten Füßen anzuempfehlen. Speisetische
mit reicher Schnitzerei an den Füßen und
Seiten sind wegen der lang herabfallenden
Decktücher ganz unnütz. Die Stühle sollen
bequeme Sitze haben, entweder aus Leder

gorien der Tages- und Jahreszeiten am
Platze, doch lasse man sich ja nicht verleiten,
etwa Bilder mit Kriegs- oder Schauder-
szenen im Speisezimmer aufzuhängen; es
giebt in unserer modernen Gesellschaft Men-
schen genug, denen der Anblick von Blut,
und wäre es auch nur gemalt, jeden Appetit
raubt. Bezüglich der Beleuchtung trage man
soviel als möglich Sorge, daß das Licht von
einem Punkte oberhalb der Tafel sich aus-
breite. Man vermeide Stehlampen aut den
Tisch zu stellen, da dadurch der freie Blick

* Als vorzügliche.Patcntledersitze (Imitation)
in Hinsicht sowohl der Dauerhastigkeit und Schön-
heil, als auch der hygienischen Eigenschasren, wäre
das Fabrikat von M. R. Schmerha in Wien zu
empfehlen.

Speisezimmer nur solche Zimmer, welche
nur an einer Längsseite mit Fenstern ver-
sehen sind, und setze man sich mit dem Ge-
sichte gegen die Fenster. Daß letztere eben-
falls nur wenig mit Portieren verhüllt
werden dürfen, ist einleuchtend. Jardinieren
rc. mögen beim Fenster oder in den Ecken
ihren Platz haben.

* Kerzenbeleuchtung dürfte im Speisezimmer
allen anderen Beleuchtungen vorzuziehen sein.


Verantwortlicher Redakteur dieser Abteilung:
Vtto Schulze in Köln.
 
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