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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Schulze, Otto: Die Kunst im Hause: ein Meisterwerk künstlerischer Lederarbeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0049

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Die Kunst im Hause.

KsuKliche Vetrschrungen.

von 1?. Philippi tDüsseldörf).

VI.

Einiges über den Lausflur.

Ter Flur ist ein meistens viel zu wenig
gewürdigter Teil des Hauses, und der
Hauptfehler liegt darin, daß man ihn
lediglich als eine Verkehrsstraße betrachtet,
die außerhalb der eigentlichen Wohnung
liegt, während man ihn vielmehr als einen
Wohnraum zweiten Ranges, als einen freien
wohnlichen Tummelplatz und mehr als
Berbindungs-, denn als Trcnnungsraum
zwischen den Zimmern betrachten soll. Dies
geschieht freilich in künstlerisch durchgeführten
Luxushäusern vielfach, aber auch das be-
scheidenere Wohnhaus sollte sich diesen
Grundsatz zu eigen machen.

Wie angenehm berührt e?, wenn man
beim Betreten des Hauses statt eines kahlen
und schmalen nichtssagenden Ganges, der
einen wie die verkörperte Raumersparnis
anlangweilt, einen behaglich ausgestalteten
Vorraum vor sich sieht, wenn Flur und
Treppe, statt den Stempel emes stiefmütterlich
behandelten notwendigen Übels an sich zu
tragen, in ihrem Aufbau, ihrer Lichtverteilung
und ihrer Ausschmückung gewisse architek-
tonisch-malerische Reize entfalten, zu denen
grade sie gemäß ihrer abwechslungsreichen
Flächenverteilung sehr wohl geeignet sind.
Das ganze Haus ist vom Charakter der
Wohnlichkeit durchdrungen, bleibt einmal ^
eine Stubenthüre offen stehen, so erblickt
man nicht eine draußen lauernde Un-
gemütlichkeit, die Behaglichkeit wird nicht
gestört, der Eindruck ist derselbe, wie wenn
eine Nerbindungsthüre zwischen zwei Zim-
mern offen steht.

Solche Flure und Vorplätze haben auch
einen ganz bedeutenden praktischen Wert.
Bei größeren Gesellschaften ist man nicht
an einige zusammenhängende Zimmer ge-
bunden, der Flur wird mitbenutzt und die
Tischreihen werden — große Flügelthüren
vorausgesetzt — über denselben hinweg
nach den gegenüberliegenden Zimmern ge-
leitet, sodaß auf diese Weise ein ganzes
Stockwerk imZusammenhange benutzt werden
kann.

Außer der dekorativen Ausstattung —
welche bei den meistens ungünstigen Ver-
hältnissen in dm Dutzendhäujern des Mittel-
standes immerhin durch Teppiche, Bilder,
Hirschgeweihe, Felle, Waffen, Pflanzen u.
dgl. einigermaßen erzielt werden kann —
sollen die Vorplätze auch Möbel aufweisen,
welche dem praktischen Gebrauche dienen,
wie kleine Tische, Spiegel, Bänke, stilvolle
Schränke, Truhen, Wandbretter u. s. w., so-
daß thatsächlich das Haus auch außerhalb
der Stuben bewohnbar ist, wie es bei vielen
Häusern der Spätrenaissance, wenigstens
in Bezug auf die Räumlichkeiten ebener Erde,
der Fall war.

Auß verwandten Lcitschristc».

0 8. Im Juli-Heft des „Kunstgewerbeblattes"
ist der Schluß des Aussatzes von Prof Or. P. F
Krell: „Tie Pflanze in der dekorativen Kunst" mit
einer Nachlese von Pflanzen der heimatlichen Flur
enthalten, wobei die Bestrebungen fast aller historischen
Stilepochen in ihren Hauptzügen in bündiger Kürze
zu lebendigen Vergleichen herangezogcn werden. Ein
reiches und gut gewähltes Jllustrationsmaterial kommt
den Worten ergänzend zu Hilfe. Gerade diesen ge-
wissenhaften Arbeiten unserer Tage im großen Kampfe
für die Natur zugunsten der hohen und der deko-
rativen Künste müssen wir einen bedeutenden Wert

*) V. siehe^Heft I.

j zulegen. Werden sie doch, wenn auch teils bewußt j
gegnerisch zu den Prof. Meurerschen Bestrebungen!
stehend, die Meinungen immer mehr klären und dazu j
beitragen : einen neuen Lebensstrom aus der Natur
auf die toten, verkümmerten Ornamentenformen zu
gießen, und endlich das, was für uns lange zu einem
morschen Gebäude geworden ist, in das Geschichts-
inventar verweisen. — Hosrat Schlie bespricht die
Thormannsche Sammlung^ welche den Grvßherzog-
lichen Kunstsammlungen in Schwerin einverleibt worden
ist, dazu drei Abbildungen. Mehrere schmiedeeiserne
Gitter, sowie die von Gustav Lind nach einer Skizze
des Geheimrats I. C. Raschdorp in Kupfer und Stahl-
blech getriebene Eingangsthür zum Mausoleum Kaiser
Friedrichs zu Potsdam sind in guten Reproduktionen
wiedergcgeben. Tas Augustheft bringt eine Abhand-
lung: die Fachausstellung für Bijouterie des Pforz-
heimer Kunstgewerbevereins, Text, Abbildungen und
die Farbtafel von R. Rücklin, welche uns einen ^
Einblick gewährt in die großartige Schmuckindustrie
Pforzheims. Betrug doch 1892 die Gesamtproduktion
40 Millionen Mark. Tie Abhandlung umfaßt die
Geschichte der Industrie, des Vereins, der Schule,
und giebt manche interessante Mitteilung über den
Gang der vielseitigen Arbeit. An Abbildungen sind
ferner vorhanden: vier reizende Entwürfe des Bild-
hauers Prof. Celda Kloucek-Prag, eine italische
Aufnäharbeit und der berühmte Bernwardleuchter in
der Magdalenenkirche zu Hildesheim. — Das Doppel-
heft 7 und 8 der Zeitschrift des Bayerischen Kunst-
gewerbevereins München ist fast mit Mitteilungen
über die Chicagoer Weltausstellung gefüllt, denen
zahlreiche Textbilder und sechs Tafeln, Gegenstände i
der Ausstellung des Kunstgewerbevereins zeigend,
beigegeben sind. Ta sind geschnitzte Rahmen von
Radspieler, ein Tafelaufsatz von W-nterhalter, Schmuck-
kästchen von Rothmüller und Pezold, Salonecke von
Seidel, ein Tafelaussatz von Heiden und Petzold,
Seidendamast von Ebner L Co., I. von Schmädel;
abgedruckter Vortrag -. Festons und dekorative Gruppen,
in welchem wieder die Natur den Leitfaden bildet,
ist von einer entzückenden Tckorationsstudie aus le-
benden Pflanzen, Muscheln und Getier in Lichtdruck-
reprodnklion begleitet. — Tie „Illustrierte kunstge-
werbliche Zeitschrift für Innendekoration" enthält im
Julihcst die Schilderung eines Hamburger Familien-
hauses von Julius Faulwaper, mit Abbildungen, uns
verratend, daß in der mächtigen, geschäftigen Handels-
stadt auch ein gutentwickelter Sinn für Kunst und
Wohligkeit zu finden ist. Max Heiden bringt sehr
eingehende Mitteilungen über die Farbengebung im
modernen Kunstgewerbe, während eine große Zahl
guter Abbildungen uns einzelne Möbel, Dekorationen,
wie auch ganze Zimmerausstaitungen Vorführern Tas
Augusthest derselben Zeitschrift ist ein Sonderheft für
Vronzewaren nnd Kunstschmiedearbeiten, und umfaßt
textlich wie bildlich so ziemlich alles, was Deutsch-
land auf diesen Gebieten heute Hervorragendes leistet.
Ein Leitartikel von Otto Schulze behandelt alte und
neue Kunstschmiedearbeiten, verbreitet sich über Technik
und Zierweisen des Eisens und die vielseitige Ver-
wendbarkeit seiner Erzeugnisse. Ergänzend dazu schreibt ^
Max Metzger-Lübeck : Ueber das Entwerfen von ^
Gitrerwerken, und Paul Krüger-Berlin über:
Thür- und Möbelbeschläge, Hans Schliepmann von:
Kunstschmiedearbeiten und Bronzen auf der Weltaus-
stellung zu Chicago, hierbei besonders den deutschen
Arbeiten wohlverdientes aufrichtiges Lob spendend. —
Ta habe ich noch zum Turchblättern die Hefte 12 bis
15 der „Liebhaberkünste" vor mir liegen, und ich
staune über die Fülle der Unterweisungen, der Vor-
lagen, der Rezepte und nützlichen Winke, die sich mir
mit jedem neuen Heft offenbart. In einem Aussatz:
Eine ausgestorbene Kunst wird die Art und Mischung
der plastischen Goldmalerei in den alten Miniaturen
preisgegeben. „Tie Silhouette" von S. Schlatter.
auch eine fast ausgestorbene Kunst behandelnd, will
in anregender netter Weise für das „schwarze Portrait" !
Propaganda machen, zum Trutz aller Freilichtmaler!
und Photographen. Da ist eine Anleitung zur Gela-
tine-Malerei von I. St Neuburg, ein Artikel über >
Schlüpelschilder, ein solcher über Brandarbeit aus
Glas, über Mctallätzung, über das Modellieren eng-
lischer Majoliken von M. v. D., über Wappengläser,
Ornamente aus Blütenteilen und was des Nützlichen
und Schönen noch sonst zwischen den immer vollen-
deter werdenden Vorbildern sich birgt. Tie große
Sonderbcilage von fast einem Quadratmeter Fläche
bietet uns einen ebenso geschickt empfundenen als
gezeichneten Tischläuser in natürlicher Größe von
L. Ammer. Ich glaube ganz sicher, daß durch diese
! Bestrebungen bei unfern Liebhaberkünstlern bei Aus
! dauer ein guter Geschmack sich heranbilden wird. Eine
„zcitschristliche" Vereinigung für derartige Sonder-
interessen ist heute von unberechenbaren! Nutzen.

Büchcrschau.

0.8. „Notruf des Kunstgewerbes! Schulung
und Niedergang desselben in Preußen!" von Martin
Kimbel, 'Breslau, 189:1. Kunstgcwerbl. Verlag
von Alexander Koch in Tarmstadt. Mk. 1.50. Herr
Marrin Kimbel, der Verfasser dieser Broschüre, ein
sehr rühriger Groß-Tischlermeister in Breslau, hat
es unternommen, große Schwächen in unserm kunst-

gewerblichen Leben aufzudecken. Preußen ist nur
der engere Herd, aber die Worte passen auch für
manchen anderen Bundesstaat Deutschlands. Zu-
stände, wie die für Breslau geschilderten, trifft man
in jeder großen preußischen Stadt — der Ver-
walrungsbeamte ist überall Nr. 1, so auch im Eisen-
bahndienst, Kommunalverwaltung, der gebildete
Techniker tritt stets hinter Justiz und Staats-
wissenschaft zurück. Es ist bekannt, daß der Techniker
und gebildete Handwerker cm Auslande größere
Ehrungen genießt und weitgehenderen Einfluß auf
das öffentliche Leben ausübt, als bei uns. Mit
Recht geißelt der Verfasser das Unwesen in der
Drillung von Zeichenlehrern, ihr unvermögendes
praktisches Wissen und Können für die Schulung
und Heranbildung kunstgewerblicher Kräfte. Kimbel
verlangt selbstbewußt die Heranziehung tüchtiger
Handwerksmeister, die auch Zeichnung und Entwurf
beherrschen, behufs weitgehendster Pflege des eigent-
lichen Fachzeichens. Sehr scharf und erbittert rückt
der Verfasser dem Zwischenhandel, der Gew erbesreih eit,
dem Lehrlingsunwesen, dem Jnnungswesen und dem
Einjährigfreiwilligendienst aus den Leib. Nun ge-
nießt aber auch bei uns schon eine große Anzahl
talentierter junger Kunsthandwerker das Vorrecht
des einjährigen Dienens, genau so wie in dem viel-
gepriesenen Frankreich. Ter kernige Inhalt dieser
lebenswahr geschriebenen Broschüre läßt uns aber
doch teils recht traurige Zustände schauen, die um
so wahrer erscheinen müssen, als der Schreiber, der
zugleich Ankläger, ein Mann in reifen Jahren, mit
großer Begabung und umfassender kunstgewerblicher,
geschäftlicher und sozialer Erfahrung ist. Manches
seiner Worte muß beherzigt werden, wenn die so
lange ersehnte Besserung für das deutsche Knnst-
gewerbe noch Wahrheit werden soll. Möchte die
Broschüre in Werkstatt und Schule, bei Behörden
und den Herren an den grünen Tischen als ein
rechtes Wort zu rechter Zeit Eingang finden, um
das deutsche Kunstgewerbe lebensfähig und achtung-
gebietend zu erhalten.

Meine -Mitteilungen.

— Berlin. Ter Verein „Ornament", Verein
von Kunsthandwerkern, gegründet von Schülern des
k. Kunftgewerbc-Museums im Jahre ,876. wird von
Mitte Oktober bis Mitte November d. I. im Licht-
hose des k. Uunstgewerbe-Museums eine Kollektiv-
Ausstellung ausgesührter Arbeiten seiner Mitglieder
nnd ehemaliger Schüler des Museums veranstalten.
Tie leitenden Kräfte gewährleisten uns, daß nur
hervorragende Leistungen zur Ausstellung gelangen
werden, und soweit ich den Verein kenne, wird er
seine Kraft daransetzen: uns in kleinem Rahmen an
geweihter Stätte seines Werdens und Könnens die
Höhe des modernen Berliner Kunstgewerbes zu offen-
baren. — Wir Höpen, unfern Lesern einige der be-
deutendsten Objekte in guten Abbildungen s. Z. vor-
führen zu können.

Verantwortlicher Redakteur dieser Abteilung:
Dtto Schulze in Köln.

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Nedaktiollslchliiß 23. September. — Ausgabe 7. Sktober.

Inhalt des Zweiten Leftes:sert! Corncu»»
! Gurlitt. Arnold Böcklin. — P. H an n. Tie
Kunst aus der Kolumbus-Weltausstellung. — A.

! Berger. Kunst-Photographie. — Personal- und
Ateliernachrichten. Die Kunll im Hause: Otto
Schulze. Ein Meisterwerk künstlerischer Leder-
arbeit. — P. Philippi. Häusliche Be-
trachtungen VI (Einiges über den Hausflur). —
Aus verwandten Zeitschriften rc. Aitderöeitagen :
A. Böckli n. Tas Schweigen im Walde. — Der-
selbe. Überfall durch Seeräuber. — Derselbe.
! Frühling. — Derselbe. Prometheus.

Verantwortlicher Redakteur: Fritz Schwach. — Druck der Bruckmann'schen Buchdruckerei in München.
 
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