Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

DOI Artikel:
Heilbut, Emil: Rundschaum, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0158

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
120

Rundschau.

waren nicht, als sprächen, oder schwiegen sie vielmehr,
in einer toten Sprache, sondern sie waren von unserem
Tage, und nur alle Schönheitsvorstellungen seiner feinen
eklektischen, doch modern gebliebenen Seele legte Moore
in diese antik drapierten, aus dem ihn umgebenden Leben
genommenen jungen Mädchen hinein. Sie waren wie
Tanagrafiguren für alle, die sie kannten — nur nicht
für die Londoner Akademie, die sich nicht die Ehre an-
that, Moore zu einem ihrer Mitglieder zu bestimmen.
Er war aus einer Malerfamilie hervorgegangen, 1841
geboren, und er hatte dreizehn Brüder, unter denen viele
sich der Kunst zuwendeten. Einer seiner Brüder ist der
sehr bekannte Marinemaler Henry Moore; Whistler, der
Spötter, hat unter fast allen englischen Malern nur für
Albert Moore eine warme Regung bezeugt.

* » *

Uns war lange Zeit die amerikanische Kunst nur
oder vielmehr hauptsächlich unter dem siegreichen Zeichen
ihres Holzschnittes würdig und beachtenswert erschienen.
Die Blüte des amerikanischen Holzschnittes bezeichneten
Meister wie Jüngling. Auf unfern deutschen Ausstellungen
sind die amerikanischen Holzschneider gekrönt worden, der
Ton ihrer Arbeiten war es, die gleichsam feuchte und
in etwas der Malweise der modernen Holländer aus
der Marisschen Epoche verwandte Empfindung für Kolorit.
Die ungeheure Verbreitung amerikanischer Monatsblätter
ermöglichte, den für dieselben beschäftigten illustrierenden
Künstlern Honorare zu zahlen, die den Künstlern wiederum
ermöglichten, mit einer Leidenschaft, das Allerbeste zu
schaffen, nicht zu rasten, ehe der Gipfel dessen, was sie
vermochten, erreicht war. So erklärt sich auch ein Teil
ihrer Erfolge. Es war schließlich eine, wenn auch noch
glänzendere, immerhin mit deutschen Zuständen insofern
korrespondierende Erscheinung, als wir bei uns in einem
der bestrentierenden Journale, den Münchener Fliegenden
Blättern, eine Holzschneiderschule sich entwickeln sahen,
die unserem Lande die größte Ehre macht. Im übrigen
ist von der, wenigstens der Einwohnerzahl nach führenden
Stadt, Berlin, das Mögliche gethan worden, die Holz-
schnittpflege zu vernachlässigen. Die Akademie von Berlin
hat diese Professur seit dem Tode des Professors Vogel
nicht wieder besetzt. Dabei ist zu bedenken, daß ihr
Versehen noch schmerzlicher berührt, weil seit dem Anfang
der 80 er Jahre, seit dem Tode des Prof. Vogel, der
sich besonders um die Faksimilewiedergaben die außer-
ordentlichsten Verdienste erworben hat, eine bedeutende
Wandlung mit dem Holzschnitte vorgegangen ist; von
dem Faksimileholzschnitte ist man zum Tonschnitte vor-
gegangen; diese Kunst hat nicht den Vorzug, der Ber-
liner Akademie in ihrer neuen Wandlung bekannt ge-
worden zu sein. Der Unterschied ist bekanntlich der,
daß nicht mehr die streng in Linien ausgeführte Zeich-
nung, sondern eine getuschte, oder mit Hilfe der Photo-
graphie hervorgerufene Zeichnung die Unterlage des
Holzschneiders bildet. Dieser hat angefangen, frei nach
dem Original zu arbeiten, seine Mittel, nicht mehr
die Mittel des Zeichners, vor allem berücksichtigend.
Die im Original vorhandenen Farbtöne erreicht er frei-
schaffend durch einfache Linien. Diese Behandlungsweise
verlangt vom Holzschneider ein feines malerisches Em-
pfinden, eine tüchtige künstlerische Schulung. Die Aus-
bildung durch die xylographischcn Werkstätten, da sie

geschäftlicher Natur ist, ist nicht im stände, Lehrlingen
künstlerische Erziehung zu geben; alle sind auf sich selbst
angewiesen, wir von unserem Standpunkte beklagen dies
auch nicht, nur finden wir, daß vom Standpunkte der
Akademien, die Berliner Hochschule eine Unterlassungs-
sünde begangen hat, als sie eine deutsche Technik, wie
der Holzschnitt es ist, seit dem Anfang der achtziger
Jahre in ihrem Lehrkörper unvertreten ließ.

-l-

Im freien Amerika betrachtet man es aus gerechten
wie ungerechten, zu billigenden und nicht zu billigenden,
Gründen als selbstverständlich, auch Holzschnitte an die
Wand zn hängen und in ihnen Kunstwerke zu sehen.
Nicht lediglich von größerer Primitivität der Anforderungen
leitet sich dieser Unterschied her; denn in der That haben
große Holzschnitte in ihrer weichen, dabei nicht süßlichen
Tonsprache, besonders Holzschnitte nach alten Meistern
im Helldunkel, einen Zauber der Wirkung, der sich selbst
nicht in den wenigstens ortsüblichen Radierungen wieder
einstellt. Und dennoch fängt es an, offenbar zu werden,
daß aller Tonholzschnitt Übergangszeitalter-Kunst ist, daß
wir uns einer Epoche, wo vom Holzschnitt kaum etwas
bleiben wird, zn nähern ansangen. Das Verlangen
nach malerischerer Ausdrucksweise nimmt zu; ebenso wie
man voni Faksimileholzschnitt zum Tonschnitte gekommen
ist, wird man in einiger Zeit nur auf Tonwiedergaben,
ganz ohne Holzschnitt, sehen, — das bequemste, dabei
dankbarste Verfahren wird siegen.

Weise Männer, von denen wir in Deutschland eine
große Anzahl haben, wiesen bekanntlich bereits vor Jahren
auf den „Verfall" hin, welcher nach ihrer Ansicht in den
amerikanischen Holzschnitten zu Tage trat; in der malerischen
Ausbeutung des Tones erblickten diese Männer, gesäugt,
wie sie es waren, mit der gerechten Verehrung von Holz-
schnitten nach Schwind und mit der ungerechten von
Holzschnitten nach Bürckel, auf das Treiben hin, dem
Holzschnitte Dinge zuzumuten wie Farbe und Ton. Man
beging den Irrtum, nach dem äußeren Anschein zu glauben,
Holzschnitte aus der neuromantischen Schule Bürckels und
anderer mit ihrer fleißigen Zeichenkunst und ihrer Be-
schränkung auf wenig Schatten entsprächen dem alten
deutschen Holzschnitte. Die Ähnlichkeit war nur ungefähr,
da die alten deutschen Holzschnitte, wenn auch in anderer
Weise als die modernen, raffinierten Verfahren sie er-
gaben, eine malerische Kraft bei aller Einfachheit auf-
wiesen, die wir aufrichtig bekennen, selbst im modernen
Amerikaner Holzschnitte nicht wieder erreicht zu sehen.

Es gab eine Zeit, in der sich zwei Holzschneider-
schulen bei uns feindlich bekämpften. Die Holzschneider-
schule mit dem Begriff Bürckel und die Holzschneider-
schule mit dem Begriff Menzel. Bürckel mutete den
Seinen fast nichts zu — Menzel mutete ihnen alles zu,
Bürckelsche Holzschnitte blieben brav einfach, in Holz-
schnitten nach Menzel, da wogte, da sprühte und blitzte
es, da war der leibhaftige Teufel erwacht. Er kicherte,
er lachte die Einfachen aus, die nur Bürckelisch waren
und glaubten, gut deutsch oder gar: gut Dürersche zu
sein. Menzels Schule hat Recht behalten; die Professoren,
die vielfach der Bürckelschen Meinung waren, haben Un-
recht behalten; Menzels Schule aber ging in Tonschnitt
 
Annotationen