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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Relling: Ausstellung der "24"
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Die Ausstellung der „2H". von vr. Relling.

in diesem Winter nicht gerade anders gekommen. Aber
daß sie unverändert wiederkamen, mag die Erwartung
enttäuscht und ihnen die Wirkung verdorben haben. Tie
Vorwürfe, die ihnen der schadenfrohe Kritikaster natürlich
nicht schenkte, waren zum größten Teil ungerecht. Denn
pikante Abwechslung m schnellster Folge des Neuesten
und Allerneuesten darf man von einem ernsthaften Künstler
nicht verlangen. Und namentlich wer zu den „24" gehört,
ist kein fixer Verkleidungskünstler, der heute so und morgen
anders, heute als Charleys Tante und morgen als neuer
Herr erscheint. Was man aber verlangen kann, ist ein
Ausbau des Programms und eine sorgfältigste Auswahl,
wenn man da ausstellt, wo die Spötter sitzen. Tie
Auswahl der Bilder hätte wohl geschickter gemacht werden
können. Piglhein fehlt diesmal. Und daß man in
dieser Ausstellung zunächst die sucht, die nicht da sind,
ist ein charakteristisches und wenig günstiges Zeichen.
Piglhein war einer der stärksten der „24" und gerade bei
ihrer diesjährigen Ausstellung, ans der sie mit gemindertem
Glanz auftraten, muß er schmerzlich vermißt werden.
Fr. v. Uh de ist freilich da, aber so wie er da ist,
genügt es nicht, um die ganze Ausstellung auf das hohe
Niveau der vorjährigen zu heben. Uhdes Bild ist natürlich
gut, der junge Tobias, von einem Engel geleitet, sieht
nach den Eltern zurück, die schmerzlich bewegt über die
Trennung vom Sohn vor ihrer Hütte stehen. Das Bild
ist klein, doch nicht nur dem Format nach, mehr niedlich
als großartig, kein Schlager und noch weniger ein Blender.
Trübners blangrüne Landschaft haben wir vor kurzem
an derselben Stelle in gleicher Qualität gesehen. H.
Schlittgen ist wieder mit einem Theaterbild da, ein
Blick auf die Bühne von einer dunklen Loge aus mit
schönen Lichtwirkungen, aber es steht nicht auf der Höhe
der entzückenden Ballettszene des vorigen Jahres. Ter
nächst Schlittgen berufenste Ballettmaler Fr. Fehr ist
außer mit einer solchen Tänzerinnendarstellung mit einem
sehr geschmackvollen Saloninterieur vertreten. Hans
Borchardt ist etwas knallig und klotzig, namentlich in
dem männlichen Porträt, das hoch gehängt von besserer
Wirkung sein würde. Besser gefällt mir sein Zimmer
niit Klavier ohne Figuren, das etwas blockisch anmutet.
Die jungen Münchener pflegen jetzt manchmal einander
oder andern etwas abzusehen mit der naiven Ungeniert-
heit der Anlehnung, die dem starken Talent gestattet ist.
So ist in Charles Vetters schönen Wasscrlandschaften
manches, was an Munch erinnert. Mein besonderer
Liebling E. Oppler hat in der träumerisch am Klavier
stehenden Dame mit dem feinsten Geschmack, der Oppler
auszcichnet, einem richtig gewählten Vorbild von Whistler
nachzustreben versucht. Benno Becker ist über sich
selbst hinausgegangen in einer Marine mit brennender
Stadt im Hintergrund, ein kräftiges Farbenstück in blan
und rot. In den alten sanften Tönen ist die Insel
gemalt, die im uferlosen Wasser von hoher Perspektive
aus gesehen wird. Von kräftiger Selbständigkeit ist
Hans Olde in seinen Landschaften, aber es ist gerade
kein weitgestecktes Ziel, dem er zustrebt. Mönche, durch
nackte Mädchen erschreckt, gehört schon dem Gegenstände
nach dem Maler von Bacchanalien, A. Keller, an. Es
ist das einzige Bild der Ausstellung, das den weiblichen
Körper nackt zeigt und mit einer Absichtlichkeit, die nicht

ganz zweifelsohne und nicht ohne Lüsternheit ist. Sonst
lehrt auch diese Ausstellung wieder, wie richtig ich den
keuschen Charakter der modernen Kunst im vorigen Jahr
gekennzeichnet habe. I. Exters, des geistvollen, aber flüch-
tigen „Symbolisten" Madonna stößt hier an, weil das
Christkind einen Schnuller im Munde hat. Ich kann darin
keine Religionsverspottung finden, den jede Zeit hat das
Recht, sich die Figuren der Bibel durch die Kleidung
und die Gebräuche der eigenen Zeit menschlich näher zu
rücken. Wer morgens im Sommer den Tiergarten besucht,
wird beobachten können, daß der Schnuller zu den be-
liebtesten Beruhigungsmitteln für Babies gehört, ohne das
man sich den gewickelten kleinen Weltbürger gar nicht
mehr vorstellen kann. Es war Exters gutes Recht, sein
Christkind so zu malen, und im letzten Grunde nichts
anderes, als wenn die alte Kunst das göttliche Kind
nach einem Vogel haschend oder nach einem Apfel greifend
oder mit den stiefväterlichen Hobelspänen spielend dar-
stellt. Bläßliche, sinnige Landschaften von bemerkenswert
feinem Ton hat Ludwig Dill ausgestellt. Hubert
von Heyden, vom großen Schweinebild her hier wohl
geschätzt, hat ein etwas zu skizzenhaftes Stallinneres mit
Kühen, sehr gute Schwertlilien und als bestes und
wirkungsvollstes Bild eine Landschaft ausgestellt. Die
Landschaft, ein Feld am Waldrand bei Abendbeleuchtung,
ist ein gutes Beispiel dessen, was die fortgeschrittene
Freilichtmalerei geben kann. Zwei, die man halb nach
Berlin rechnen kann, habe ich für zuletzt aufgespart:
R. Lepsius und I. Block. Lepsius gefiel mir im
vorigen Jahr weniger, vor seinem neuen Bilde — drei
Geschwister auf einer Veranda, darunter besonders pikant
gemalt die junge Dame im roten Kleid — nehme ich
aber gern den damals ausgesprochenen Tadel zurück.
I. Block bringt wieder zwei sehr ansprechende Interieurs,
das bessere ist das Paar am Klavier.

Nach dem Erfolg der vorjährigen 24er Ausstellung,
nach dem Beifall, den die Secessionisten in unserer letzten
großen Ausstellung, wenigstens beim urteilsfähigen Publi-
kum fanden, kann dem künstlerischen Ruf der Münchener
der jetzige halbe Erfolg und der laue Beifall nichts
schaden. Aber in anderer Weise schadet es ihnen. Auf
den Beifall und den billigen Ruhm in den Gazetten
kommt es ihnen ja nicht an. Auf der ganzen Linie
wird der Sieg der Modernen gemeldet, sie haben keine
gefährlichen Feinde mehr. Es kam aber für die Münchener
diesmal darauf an, den Berliner Kunstmarkt, so klein er
gegenwärtig auch sein mag, zu erobern. Das ist durch diese
Ausstellung wenigstens nicht geglückt. Ich hätte diesen
Sieg den Münchenern gegönnt — und den Berlinern
erst recht. Die Auswahl der ausgestellten Bilder war
nach diesem Gesichtspunkt ungeschickt. Verkäufliche Bilder
waren wenige da. Skizzen, so geeignet sie sind, den
Künstler kennen zu lernen, kauft man nicht gern, auch
der aufgeklärte Sammler und Kunstfreund nicht, weil sie
wenig ausmachen und nicht dekorieren.

Das kleine Federvieh der Tagesblättchen hat mit
feiner Spürnase diesen Mangel der Ausstellung heraus-
gefühlt und nun (die Rächer sind ja weit) darauf los-
geschimpft und jeder hat es natürlich schon im vorigen Jahr
gewußt. Gemach, meine Herren, die Münchener kommen
wieder und die moderne Kunst ist noch lange nicht alle.
 
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