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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Personal- und Ateliernachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Vermischte Nachrichten - Denkmäler - Kunstliteratur und vervielfältigende Kunst - Vom Kunstmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0246

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Kunstlitteratur und vervielfältigende Kunst. — vom Kunstmarkt.

ldl

noch so Prosaischen Gegenstand irgend eine künstlerische Form
oder Ausschmückung geben können, und der bekannte Herausgeber
versteht es meisterhaft, seine Zeitschrift vermöge der Vielseitigkeit
sowohl des textlichen wie illustrativen Inhaltes gleichsam zu einem
Universallexikon für Handarbeiten und häusliche Fragen zu
gestalten. Die Vorlagen und Beilagen sind außerordentlich
zahlreich, dem ersten Jahrgang gegenüber, bedeutend vermehrt,
und was ein besonderer Vorzug ist: groß, anschaulich und praktisch.
Wir zweifeln nicht daran, daß der begonnene dritte Jahrgang
sich den vorliegenden beiden ersten ebenbürtig anschließen wird,
und daß die „Liebhaberkünste" nach wie vor in jedem Hause
gern gesehen werden, in welchem die Neigung herrscht, die°zum
täglichen Gebrauch verwendeten Hausgeräte der einfachcnprosaischen
Form zu entkleiden und dieselben künstlerischer zu verschönern.

I§. Alois Riegl, Stilfragen, Grundlegungen zu einer
Geschichte der Ornamentik. Mit 197 Abbildungen im Text.
Verlag von Georg Siemens, Berlin. Preis 12 M. In
einer Zeit, in welcher mit aller Macht das Studium der
Pflanzenformen behufs Neubelebung der dekorativen Kunst,
insbesondere des Ornaments empfohlen wird, kommt denen,
welche an die unbedingte Heilwirkung jenes Naturalismus nicht
glauben, ein Buch wie das vorliegende gerade recht; jeden, der
da meint, die Ornamentik wäre ein willkürlich gedachter Schmuck,
man brauche deshalb zu ihrer Wiedergeburt nur einfach in das
volle Pflanzenleben hineinzugreifen um Neues, Passendes zu
schaffen, wird die Lektüre dieses Buches zu der Ueberzeugung
bringen, daß die Ornamentik eine im Lauf von Jahrhunderten
entwickelte Sprache ist, die sich nicht durch ein willkürlich erfun-
denes „Volapük" ersetzen lasse! — Schon in seinem Buch über
die altorientalischen Teppiche hat Or. Riegl, Kustos am k. k. österr.
Museum für Kunst und Industrie in Wien, sehr deutliche Hin-
weise darauf gebracht, daß die vermeintlich autochthone orientalische
Kunst (der Perser, Araber, Türken) in direkter Linie von der
altrömischen, bezw. byzantinischen Kunst abstamme; die scharf-
sinnigen Bemerkungen in jenem Buch ließen darauf schließen,
daß Riegl sich sehr eingehend mit der Geschichte des Ornaments
befaßt hat und erweckten die Hoffnung, daß der Verfasser durch
Publikation seiner hierauf bezüglichen Untersuchungen und Be-
obachtungen über manche bisher mit stolzer Verachtung seitens
der Kunstgeschichte übergangene Gebiete Licht verbreiten werde.
Dies ist in der That mit dem oben genannten Buch der Fall.
Zunächst bekämpft Riegl Gottfried Sempers Theorie der tech-
nisch materiellen Entstehung der ältesten Ornamente, wonach
z. B. die ältesten geometrischen Verzierungen im Gefolge einer
bestimmten Technik — etwa der Textilkunst — erfunden worden
seien. In höchst geistreicher Weise leitet er das Wesentliche der
vorgriechischen Ornamentik von dem ägyptischen Lotosornament
ab, um dann — im III. Kapitel — eine der grundlegendsten
Behauptungen aufzustellen und zu beweisen, daß nämlich die
Ranke erst durch die Griechen in die Ornamentik gekommen ist.
Schon in der mykcnischen Kunst tritt dieselbe auf. Wohl hatt'
auch die ägyptische Kunst die gekrümmte Linie (Spirale) zur An-
wendung gebracht — aber nur in geometrischen Konfigurationen;
den Griechen gelang es erst, dieselbe auf das vegetabile
Ornament zu übertragen. — Geradezu einen Umsturz in den
Anschauungen dürsten Riegls Erörterungen über den Akant hus
Hervorrufen. Dem Referenten erscheint die Rieglsche Deutung
geradezu als eine Erlösung. Wer das natürliche Akanthusblatt
kennt, den muß die große Verschiedenheit zwischen demselben und
dem stilisierten Akanthus der griechischen Künstler stutzig machen;
was für eine Summe von innerlichen Umgestaltungsprozessen
mußte das natürliche Akanthusblatt durchmachen, um zu dem
zu werden, wie es das Monument des Lysikrates schmückt? Und
das alles, ohne daß irgend welche Uebergangsbildungen zwischen
der Naturform und dieser Kunstform zu finden sind! Trotzdem
fußte die Bezeichnung „Akanthus" für die allen Kunstbeflissenen
bekannte Blattform fest auf der — ja ganz ansprechenden — Erzäh-
lung Vitruvs, wonach ein auf dem Boden stehender Korb, an dessen
Außenseite Akanthusblätter in die Höhe strebten, das Motiv für
das sogen, korinthische Kapitell gegeben habe. Riegl führt nun
den Nachweis, daß das griechische Akanthusblatt sich aus der
Palmette entwickelt hat; es ist „ursprünglich nichts anderes als
eine ins plastische Rundwerk übertragene Palmette". Thatsache
ist, daß der Akanthus zuerst an Palmetten-Akroterien auftritl;
als besonders beweiskräftig aber müssen einige Abbildungen
nach Vasengemälden angesehen werden, auf welchen bei den dar-
gestellten Säulen die Kapitelle durch aufgemalte Palmettenkränze
ersetzt sind! — Es würde zu weit führen, alle die Aus-
ührungen des Verfassers über das hellenistische und römische

Pflanzenornament, über das Pflanzenornament m der byzanti-
nischen Kunst, über die srühsarazenische Rankenornamentlk zu
verfolgen. Sie reihen sich dem vorhergehenden vollwertig an
und bilden zugleich eine Erweiterung der in Riegls Buch über
die altorientalischen Teppiche teilweise nur angedeuteten Ent-
wicklungsgeschichte des orientalischen Ornaments.

II. Am 5. November 1894 wird es 400 Jahre, daß Hans
Sachs geboren. Der Stadtrat von Nürnberg genehmigte eine
erhebliche Summe für Inszenierung eines großen Festes. Als
vorläufige Einleitung dazu hat Rudolf Genee, welcher sich
schon lange mit diesem Meistersinger beschäftigte, ein umfang-
reiches, mit vielen gleichzeitigen Porträts und Ansichten ausge-
stattetes Werk über „Hans Sachs und seine Zeit" (Lpzg. 1894,
I. I. Weber XVI. 524 S- 8". Pr. 10 M.) ausgearbeitet, welches
ein beredtes Kulturbild dieser Periode entrollt und den berühmten
Reimschmied nach seiner ganzen Thätigkeit und Parteistellung,
zu seinen Mitlebenden und den damaligen religiösen und poli-
tischen Ereignissen in farbigen Bildern abschildert. Insbesondere
hervorgehoben wird Hans Sachsens Anteil an der Reformation.
Herr Genee hat das umständliche Material trefflich geordnet und
bewältigt und das kulturgeschichtliche Element besonders betont.
Der wackere Schuhmacher und Poet kommt überall mit seinen
eigenen Worten zur Sprache. Sein Hausfriede und Fleiß, sein
Humor und die Treue und Wahrheit, womit er das ihn um-
gebende Leben packt und in seiner Manier wiedergiebt, machen
den Meister lieb und wert. Sehr interessant ist der durch Fak-
similes erläuterte Exkurs über den Vortrag der Meisterlieder und
ihre Notation. Daß manche Abschnitte etwas breiter gehalten
und flüchtig stilisiert erscheinen, wird wohl die nächste Auflage
ausgleichen

— Vom Kunstauktions-Haus I. M. Heberle (H. Lempertz'
Söhne) Köln, geht uns in zwei fürstlich ausgestatteten, mit zahl-
reichen Kunstbeilagen in Photogravüre und Lichtdruck geschmückten
Bänden der Katalog der am 12. März u. ff. Tage in Berlin, Unter
den Linden 8, zur Versteigerung gelangenden „Kunstsammlungen"
des im Vorjahre verstorbenen Adolf v. Liebermann zu. Der
Katalog enthält in einem Bande das Verzeichnis der aus 107Nummern
bestehenden Gemälde-Galerie, diesich vorwiegend aus hervorragenden
Werken moderner Meister zusammensetzt. Vertreten sind u. a.
A. Achenbach, Brozik, Capobianchi, Defregger, Grützner, Hilde-
brandt, Hoguet, Knaus, Lenbach (durch ein landschaftliches
Genrebild aus seiner Frühzeit), P. Meyerheim, Munkacsy (dreimal),
Schreyer re. re. Der zweite Band bietet in 1748 Nummern die
Zusammenstellung der anderweitigen alten und modernen Kunst-
sachen, unter denen sich u. a. auch Schau- und Zierstücke aus Edel-
metall befinden, die der Verstorbene s. Z. aus dem Nachlaß
König Ludwig II. von Bayern erworben hatte. Weiter finden
sich Marmorstatuen und Büsten, Möbel, Goldschmiede-Arbeiten,
Nippsachen, die der Eigentümer im Laufe der Jahre auf seinen
vielfachen Reisen zusammengebracht hatte. Der, dem je Gelegenheit
geboten war, das von dem Verstorbenen zuletzt bewohnte Haus in
der Wilhelmstraße zu betreten, wo die reichen Schätze mit feinem
künstlerischen Sinn in den verschiedenen Räumen zu reizvollem
Genüsse verteilt waren, kann würdigen, welche auserlesene Samm-
lung jetzt aus den Markt gelangt. 129511

— In der Auktion der Galerie Spranger, die am
13. Februar von R. Lepke in Berlin veranstaltet wurde, er-
zielte u. a. ein Francesco Vinea „Der Besuch bei der Groß-
mutter" 9000 M. und ein Bild von Tito Conti „Weinkeller mit
zechenden Soldaten" 5150 M. pssil

— C. G. Boerner in Leipzig wird am 9. April u. ff.
Tage Kupferstiche, Holzschnitte und Kupferwerke aus dem Nachlaß
des im Februar 1891 zu Florenz verstorbenen Karl Ed-von
Liphart versteigern. Aus den 2209 Nummern des dafür
soeben ausgegebenen Kataloges wäre besonders hervorzuheben
das prachtvolle Werk des A. van Ost ade, aus etwas über
150 Blättern bestehend, das der Eigentümer bei der Versteigerung
seiner ersten Sammlung im Jahre 1876 zurückbehielt und seit
dieser Zeit zu einem Exemplar vervollständigt hat, wie es in
solcher Reichhaltigkeit wohl noch nicht ausgeboten worden ist.
Ferner finden sich prachtvolle Werke von Dürer, van Dyck, Holl-
bein, van Leyden, Rembrandt, Swanevelt und Waterloo. Die
von dem Verstorbenen besessenen Handzeichnungen bleiben einer
besonderen Versteigerung Vorbehalten. PWch
 
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