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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Heilbut, Emil: Rundschau, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0255

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Rundschau.

19«

wenige Straßen getrennt, in Paris die Verbindung der
französischen Aquarellisten und gleichzeitig eine Anzahl
holländischer Aquarellmaler ihre Werke zur Schau brachte.

Von den Holländern an dieser Stelle zu reden,
erscheint überflüssig. Vor kurzem erst haben wir beim
Geburtstag des Altmeisters der Holländer Anlaß ge-
nommen, ihre Schule zu berühren, und, wie man sie
alljährlich in München sieht, wirkten diese Maler auch
in Paris. Denn die Beschränktheit auf ein kleines Ge-
biet, welche wir als ein Merkzeichen aller Holländer
stets wahrnehmen, zeigt sich bei ihnen auch darin, daß
sie das Luftige, Schwimmende und Verwischte ihrer Auf-
fassung, ganz ebenso im Aquarell wie in ihrer Oelmalerei
zeigen; ihre Handschrift und ihr Stil, man möchte wirk-
lich sagen, selbst ihre Technik verändert sich kaum, wenn
sie den Aquarellpinsel in die Hand nehmen. Ihre
Aquarelle sind nichts anderes, als im Format meistens
verkleinerte, im übrigen unveränderte Repetitionen ihrer
Ölbilder. Eine nahezu gleichmäßige Kunst herrscht vor:
bei ihnen ist der Abstand der großen Meister und der
kleinen kein wesentlicher, und über allen Werken leuchtet
der Schimmer einer fein-künstlerischen Gesinnung.

Nur zu viel Ruhe atmen ihre Arbeiten! Ewig
die Architekturen von Bosboom, die wehmütigen Natur-
stimmungen Mauves, die Armeleutbilder Israels',
die See- und Stadtbilder Jacob Maris' — man muß
wirklich anuehmen, diese Holländer lebten in einem gegen
alle Luftveränderungen abgeschlossenen Raum und sie
säßen im Frieden ihrer Wände, ewig unangekränkelt von
den Strömungen des Tages.

Eine kleine Minderheit von Arbeiten zeigte dagegen
bei den Franzosen an, welches die Strömungen des
Tages sind. Zwar die Kardinäle, die Vibert malt,
bleiben, wie sie waren, und die Detailleschen Aquarelle
fahren fort, ihre Vorzüge und ihre Schattenseiten zu
entfalten; allein wenn der Zug zum Modern-Eleganten
in vielen Produktionen dieser Ausstellung, denen wir zu
viel Ehre anthun würden, wenn wir auf sie mit Namcn-
nennungen eingingen, überhand nimmt, und wenn die
Krone aller Flachheit dem Haupte eines der schrecklichsten
Maler dieser eleganten Verbindung, des Herrn G.Dubufe,
unverändert verbleibt, so hat von zwei Künstlern wenig-
stens die Ausstellung dieses Clubs interessante Bilder
vorgeführt: von Besnard und von Rochegrosse.

Dieser Club liefert unbestritten die elegantesten
Ausstellungen von Paris. Er hat nur einen ernsthaften
Rivalen: den Club der französischen Pastellisten, schlägt
ihn aber. Und das kommt daher, weil der Pastellist
mit dem Material denken muß und sich, so elegant er
es auch betreiben mag, aus dem Fahrwasser der Kunst,
der des achtzehnten Jahrhunderts z. B. nicht völlig ent-
fernen kann. Seine Technik nötigt ihn, eine gewisse
künstlerische Empfindung beizubehalten. Derselbe Künstler
aber, sobald er das Aquarell behandelt, vermag, wenn
er will, jeden Zusammenhang mit der Kunst zu verlieren;
er kann ganz und gar, die Technik erlaubt es ihm, zu
dem niedrigen Niveau der Welt hinuntersiuken und das
Entzücken der »monckaine« und des »cludman« erregt er
umsomehr, je weniger mit der Kunst seine Hervorbrin-
gungen zu schaffen haben. Auf diesen Dubufeschen Wegen
wollen wir die Gesellschaft der französischen Aquarellisten
nicht begleiten; von Besnard, der in den ausgestellten
Aquarellen nichts zeigte, was uns in Deutschland, da

wir seine Art und Weise kennen, überraschen könnte,
ebenfalls nicht: nur von der bemerkenswerten Wandlung,
die mit Rochegrosse vorgegangen ist, wollen wir reden,
weil sie nicht allein für diesen einzelnen Maler, sondern
für die Gewalt der Strömung bezeichnend ist, die die
junge Generation in die Wege des Symbolismus lenkt.

Rochegrosse hatte bekanntlich mit akademischen
Arbeiten begonnen. Seine Szene aus dem Homer ist
unvergessen, wie seine Darstellung aus der römischen
Kaisergeschichte und wie die Szene aus dem Bauernkrieg.
Und noch vor kurzem hat sein Bild von der Besitz-
ergreifung einer gallo-römischen Villa durch die Hunnen
die Reise nach Deutschland angetreten. In allen diesen
Werken sprach sich eine rein akademische, das ist eklektische
Begabung aus; und in der That entsprach es dem
Eklekticismus dieses sehr geschickten Malers, daß er wohl
auch sich vom Symbolismus, der anfing, sich geltend zu
machen, streifen ließ — dies geschah in jenen Bildern,
die Rochegrosse den orientalischen Mythen zuwandte, und
im Tannhäuser.

Nun aber ist er mit der ihm eigenen Geschicklich-
keit ganz auf dit Weise der Symbolisten eingegangen,
und wenn ein Teil seiner in Aquarell ausgeführten
Szenen aus Flauberts „Salambü" noch den akademischen
Stil, etwa mit Alma Tademaschem Gepräge, zeigte, so
ist er in einem anderen Teile, noch mehr und ent-
schiedener aber in seinem Narcissus und in seinem
Aquarell zu einem Stücke des belgischen Dichters Maurice
Maeterlinc, der Empfindung der Symbolisten, so eng er
konnte, gefolgt.

Es bleibt zwar ein großer Unterschied zwischen ihm
und ihnen; er ist noch jetzt weit entfernt davon, in ihnen
aufgegangen zu sein. Er mutet auch in seiner neuen Trans-
formation immer noch als Eklektiker an, als jemand, der
ungefähr alles kann, was er will. Zu den echten Symbolisten
kann man ihn darum nicht zählen; erstens können diese
nämlich keineswegs, was sie wollen, und dadurch er-
scheint Rochegrosse im Vorteil gegen sie; zweitens aber
können diese, was sie wollen, von innen heraus em-
pfinden lassen, eine eigene, abgeschlossene, wahrhafte
Stimmung empfängt der Beschauer, auch der skeptisch
gesonnene, von ihnen — und darin ist Rochegrosse im
Nachteil, er wirkt nur (und obgleich er sich wirklich
bemüht, zu empfinden und poetisch zu sein) als ein
geschickter Macher im Symbolismus, er rührt nicht, er-
läßt kalt.

Daß Rochegrosse, dieses zu einer großen akademischen
Berühmtheit wie geschaffene Talent, vom Symbolismus
sich hinreißen ließ und gleichsam nun noch eine neue
Laufbahn anfangen möchte, das ist ein Sieg einer kleinen
Partei über die große machthabende, ein Sieg dieser
kleinen, aber geistreichen Wochenschriften über die großen,
langbestehenden und in Frankreich wie überall wesentlich
nationalistischen Blätter. Die kleinen geistreichen Wochen-
schriften, die sich nicht halten können, die nach wenigen
Jahren verschwinden, indessen nur in der Weise, daß
sie sofort neuen, ganz ähnlich redigierten Wochenschriften
Platz machen — sie verrichten die Maulwurfsarbeit,
unterwühlen die offizielle Kunst, machen Julius Lefebure
unmöglich und die Akademie von Rom tot. Werden die
Dubufe-Existenzen darum aufhören? Keineswegs. Man
wird hübsch verständig sein und symbolistisch zu sein
versuchen. Natürlich wird man dadurch um keinen Deut
 
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