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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Relling, J.: Die Ausstellung der "XI"
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0257

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Die Ausstellung der „XI".

Der Liebessang. von Edward L urne-Ion es.

verein? „Unentwegt und voll und ganz! Bum Bum."
Die Elfer kommen in diesem Jahr wesentlich stärker,
als in den beiden vorigen Ausstellungen. Sie erscheinen
einheitlicher und die, welche früher hinter den Führern
weiter zurückgestanden, sind ihnen um ein gutes Stück
näher gekommen. Den einen, der diesmal fehlt, vermissen
wir nicht. An seine Stelle trat Max Klinger, natür-
lich Max Klinger, denn der gehört eigentlich schon längst
zu den „XI". Die andern waren uns so oder ähnlich
schon gekommen, Klinger aber erscheint uns in seiner
Kreuzigung neu, trotz der eben erst geschlossenen Aus-
stellung seiner Arbeiten bei Amsler L Ruthardt und trotz
der Pieta und der unvergeßlichen I'keure bleue der
vorigen großen Ausstellung. Ein packendes Bild, diese
Kreuzigung Christi. Jenseits aller Schablone und aller
Fesseln verdummender Tradition. Und wahr und natür-
lich ist uns der Vorgang vor die Augen gebracht, sodaß
wir ihn als so wirklich geschehen annehmeu möchten. Die
alte klassische Kunst hat die Kreuzigung freilich anders
dargestellt. Da sehen wir immer auf erhöhtem Kreuz
den Heiland in der Mitte zwischen den beiden Schächern,
am Fuß des Kreuzes Maria und Johannes oder die
größere klagende Gemeinde der Apostel und der heiligen
Frauen. Die alte Kunst hat ja unendlich schöne Bilder
nach diesem festen Typus geschaffen, namentlich so lange
die religiöse Kunst in enger Abhängigkeit von der Kirche-
blieb. Aber schon bei den Niederländern des 17. Jahr-
hunderts, den ersten Anfängen der neueren Kunst —
die Renaissance gehört zum Mittelalter — verliert die
traditionelle Form der christlichen Bilderkreise an Be-
deutung. Wie hat sich Rembrandt die Stoffe der bib-

lischen Erzählungen frei und nach einem künstlerischen
Bedürfnis zurechtgelegt. Im Sinne der Berliner Hof-
prediger sind Rembrandts religiöse Bilder unkirchlich und
anstößig. Für sie müssen die Bilder süß und lieblich
sein, wie die von Plockhorst und Pfannschmidt. Und
doch ist Rembrandt der erste, der religiöse Stoffe als
Protestant malte. Den modernen Protestantismus malen
Uhde und Klinger. Klinger giebt zuerst eine glaubhafte
Darstellung der Hinrichtung Christi. Die Arme sind am
Kreuz in der üblichen Weise festgenagelt, der Körper
aber ruht in reitender Stellung auf einem Holz. Das
Kreuz ist in den Fußboden gerammt; nicht hoch über
den Menschen stirbt der Erlöser, sondern mitten unter
ihnen und ihnen allen nahe. An die rechte Ecke des
Bildes sind die drei Kreuze gerückt, vor dem Sohn steht
die greise Mutter in jetzt schon thränenlosem Schmerz
erzitternd. Zwei bewegte Gruppen links und in der
Mitte. Darinnen — auch die Spötter und Entrüsteten
geben es zu — viel bestes Detail und weniges, was
noch an die alte selig entschlafene Historienmalerei er-
innert. Da uns die Pietä entgangen ist, so wäre die
Kreuzigung ein Bild für unsre Nationalgalerie. Da
möchte ich das Bild neben Böcklins Pieta, hängen sehen.
Ein schöner Traum!

Ueber jeden der anderen Elfer noch ein paar Worte.
Den weitesten Sprung vorwärts seit dem vorigen Jahr
hat Walter Leistikow gemacht. Der ist mit einem
großen Satz unser bester hiesiger Landschafter geworden,
und Eugen Bracht und seine Schule laufen weit hinter
ihm her und können ihn nie wieder einholen. Was
Leistikows Landschaften so anziehend macht, ist die wunder-
 
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