Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

DOI Artikel:
Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Die Frühjahr-Ausstellung der Münchener Secession
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0289

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
226

Die Frühjahr-Ausstellung der Münchener Secession.

der Richtung, die ängstliche Gemüter als Alleinherrscherin kommen sehen wollten, des entschiedensten vermieden
worden ist, bewiesen die bisher veranstalteten Ausstellungen des Sommer 1893 in Berlin und München;
es wird aufs neue dargethan durch die am 15. März eröffnete Frühjahr-Ausstellung, die an Vielseitigkeit des
Gebotenen nichts zu wünschen übrig läßt. Vielleicht würde auch da vor manchem Bilde, vor mancher Skizze
und manchem kühnen Pinselhiebe das Wort fallen, das im Vorjahre seitens eines hohen Würdenträgers in
Berlin vor einem Bilde von Besnard fiel: „Der Kerl wäre auch besser was anderes geworden, als ein
Maler", — hätten wir in München über jene gewiegten Urteile in solcher Menge zu verfügen, wie sie da zu
hören sind, wo das Verhältnis von Publikum einerseits, Künstlern und Kunst andererseits zur Bereicherung
der deutschen Sprache beigetragen hat durch das neu entstandene Wort „Kunstpöbel". Die Bezeichnung hat
bekanntermaßen eingeschlagen, hat sie doch schon eine ganze Reihe von Broschüren hervorgerufen; gezielt war also
offenbar gut.

Eine Frühjahr-Ausstellung hatte München bis heute nicht zu verzeichnen. Wohl wurde auf
anderer Seite hierzu schon vor geraumer Zeit die Anregung gegeben; indessen blieb es eben bei der Anregung
— nur immer langsam voran!

Die Ausstellung will und soll nicht in Konkurrenz stehen zu der sommerlichen, großen Ausstellung,
bei der neben den Münchener Künstlern das Ausland in breitem Maßstabe vertreten sein wird. Es ist
dies letztere um so eher zu erwarten, da unter den 297 Mitgliedern der Secession 170 zu den auswärtigen
gehören. Daß die gefeiertsten Namen der Gegenwart sich darunter vorfinden, ist bekannt.

Ich will nicht von den einzelnen Werken sprechen, denn Aufzählen ist immer eine trockene Geschichte.
Zur eingehenden Besprechung aber fehlt der Raum und was schließlich die Beurteilung der einzelnen Objekte
betrifft, so sorgen dafür hinlänglich jene berufenen und unberufenen Kräfte, die des denkbarst undankbaren Amtes
walten, jenes des Rezensenten nämlich, der Lorbeeren und Todesurteile in gleichem Atemzuge ansteilt und
schließlich doch nichts von alledem zu ändern vermag, was mächtigeren Kräften als dem Tages-Urteile folgend
sich vollzieht, weil es sich mit Naturnotwendigkeit vollziehen muß. Knnstströmungen sind nicht willkürlich
herbeigeführte Dinge; sie sind ein Teil jenes ewigen Gesetzes von der Abstoßung des Alten und von Neu-
bildungen. Diese mißachten, heißt kein historisches Verständnis besitzen, alles dessen uneingedenk sein, wozu
prinzipielles Festhalten an allmählich verknöcherten Anschauungen geführt hat. Ist nicht die Vorstellung vom
rollenden Rade der Zeit uralt? Ist sie nicht verwandt dem kühnen Worte, das selbst drohende Einkerkerung

nicht hintan zu halten vermochte: Und
sie bewegt sich doch! Wer von diesem
Standpunkte aus den Wechsel künst-
lerischer Dinge betrachtet, kommt höchst
wahrscheinlich, soweit dies dem Zeitge-
nossen überhaupt möglich ist, zu einem
richtigeren Urteile, als wenn er stets nur
den eigenen doktrinären Standpunkt gelten
läßt. Diesen aufzugeben, bringen aller-
dings nur bevorzugte Menschen fertig.

Die Frühjahr-Ausstellung der Se-
cession giebt ein Bild davon, wie eine
ideale Ausstellung hinsichtlich des Arrange-
ments aussehen kann. Kein Briefmarken-
system, keine Bepflasterung der Wände
mit großen und kleinen Leinwänden, kein
Gemahnen an eine Kunst-Karawanserai
und dem damit in Verbindung stehenden
Bazar, in dem neben köstlichen Werken
echter, wahrer Kunst die breite Masse
handwerklicher Arbeit gelagert ist, die
leider nach und nach auch in unsere Ga-
lerien ihren Einzug hält. Dergleichen
Ausstellungen sehen wir jedes Jahr und
überall. Anders ist es bei dem Arrange-
ment, das die in Frage kommende Aus-
stellung aufweist. Mit Ruhe mag das
Drr Mvrdrr. von Franz Stuck. Auge den einen Gegenstand erfassen, ohne

jrübjabr-Ausstellung I8I« der Münchener Sccciston. V0N dkl Seite, V0N vbeN vdel UNteN dllrck)
 
Annotationen