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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Heilbut, Emil: Rundschau, [5]
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Becker, Heinrich: Frankfurter Brief, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0314

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Rundschau, von German kselferich. — Frankfurter Brief.

Werkes in einer unsrer letzten Nummern glauben wir Arbeiten die uns am allerhöchsten stehende Kunst erblicken,

ihm unfern Tribut erwiesen zu haben; wenn wir in zum Bewußtsein, daß er jedenfalls zu jenen, in unsrer

ihm den leitenden Gedanken unsrer diesmaligen Rundschau Epoche, aber auch in allen Perioden seltenen Künstlern

erblickt haben, so stehen wir nicht an, zu erklären, wie gehöre, deren Produktion nicht in der Abkehr von der

der Abdruck des Bildes überraschend auf uns gewirkt bürgerlichen Gesellschaft, sondern in wahrhafter Freude

hat. Es kam uns, die wir sonst nicht immer in Herkomers an der Welt, die uns umgiebt, geboren wurde.

Frankfurter Ä)rief.

von Leinrich Becker.

or einigen Wochen starb hier der Bildhauer Fried-
rich Schierholz. Er war ein geschätzter und ge-
achteter Künstler, der in Frankfurt zu den besten zählte.
Schierholz war zu Frankfurt geboren. In dem Städel-
schen Institute fand er Anleitung und Ausbildung in

Friedrich Schirrholz.

der Zeichen- und Modellierkunst. Professor Zwerger
war sein Meister. Die Statue von Karl dem Großen
auf der alten Mainbrücke rührt von ihm, resp. seinem
Schüler und Mitarbeiter Wendelstadt. Sie drückt die
ganzen Vorzüge dieses Meisters aus.

Zwerger hatte die Reste von romanischer und
gotischer Bilderkunst studiert und diese in seinen Werken
nachzubilden gesucht. Karl der Große ist so gemeißelt:
ein Bildhauer aus der alten Frankenzeit könnte ihn aus-
gehauen haben. Damit ist Zwergers Verdienst, zugleich
auch die Grenze für sein Lehrertum ausgesprochen.
Cornelius in München, Steinle in Frankfurt, sind
in dieser Hinsicht geistesverwandt. Auch diese haben ge-
glaubt, wenn kein Stahlpanzer die Hüften und Arme
umkleidet, sei einer kein herzhafter Mann.

Schierholz wäre in dieser Sphäre ein engbegrenzter
Künstler geblieben — zumal Steinle ein ganzes Menschen-
alter nicht nur das Städelsche Institut, sondern auch
die gesamte Künstlerschaft und die aus lauter Dilettanten
zusammengesetzte Vorstandschaft hiesiger Kunstanstalten
beherrschte. Er ging deshalb nach München, wo eine
reich ausgestattete Kunstakademie für Auge und Hand
eine ungeahnte Entwicklung bot. Anstatt des einen
Lehrmeisters, der zu Frankfurt die beengte Bahn ihm
vorschrieb, war dort ein Kreis von allseitig gebildeten
Künstlern, die das gesamte Gebiet der Kunst beherrschten.
Durch König Ludwig I. und Max II. war die griechische
Kunst dort heimisch geworden. Ein einziger Besuch in
der Glyptothek war mehr wert, als zehn Jahre Studium
zu Frankfurt. Hier waren die vollendeten Originale
ägyptischer, griechischer, römischer Kunst zu finden. Sie
waren in solcher Schönheit und Naturtreue ausgeführt
und, trotz zwei-, dreitausendjähriger Verwitterung, so
wohl erhalten, daß ein neues, frisches Leben diesen
Muskeln, diesen Adern zu entspringen schien.

Nach einer italischen Reise kehrte Schierholz in
seine Vaterstadt zurück. Hier bei einer opulenten, nach
künstlerischem Schmucke strebenden Bevölkerung hoffte er
das Neue, von dem sein Geist erfüllt, ins Leben zu
setzen. Eines seiner ersten Werke war eine Büste von
Beethoven, der wir uns noch Wohl erinnern. Zwerger,
wenn er noch gelebt, sowie Steinle, mochten den ab-
trünnigen Schüler darin erkennen. Das war keine steife
Totenmaske, wie die altdeutschen Bilder sie zeigten,
sondern ein lebiger, feuersprühender Kopf, der die Welt
erstürmen will. Die neunte Symphonie, dies kosmopoli-
tische Riesenwerk des großen Meisters, hatte dem jungen
Künstler das Bildnis eingegeben. Aus dieser Idee, mit
Anlehnung an die traditionellen Beethoven-Köpfe, schuf
er die Büste.

Das Werk erregte bei den aufstrebenden Künstlern
und Kunstfreunden großen Enthusiasmus. Die Altmeister,
die Altschüler, wußten genug der Mängel herauszufinden.
Eine künstlerische Kritik gab es zu Frankfurt nicht; es
war keine Akademie vorhanden, welche ein Urteil abgab;
ästhetische Vorlesungen, von wissenschaftlichem Geiste
diktiert, gab es auch nicht — denn wir haben keine
Universität! — so blieb das Werk von Schierholz un-
beachtet. Man spendete dem „Sohne Frankfurts"
alles Lob, doch ohne bestimmtes Urteil, ob der betretene
Weg der rechte oder der Unrechte sei.

So mußte der Künstler aus dem rückhaltvollen
Schweigen selber sein Urteil sich bilden. Man vertraute
ihm allmählich größere Aufgaben au, bei denen er seine
Kenntnis wie Geschicklichkeit zu zeigen vermochte. In
den 70er Jahren — mit dem aufquellenden Reichtume
 
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