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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Voss, Georg: Die Ausstellung der Münchener Secession im Sommer 1894, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0389

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Die Ausstellung der Münchener Secession im Sommer

ÖOä

dargestellt, welche nach der langen Seefahrt erschöpft in New Jork ans Land gesetzt worden sind. In der großen
Halle von Castle Gardens sind die Ärmsten, Männer, Frauen und Kinder in dichten Gruppen beieinander,
eingepfercht und harren in banger Erwartung der Schicksale, die ihnen die neue Welt bereiten wird. Auch
hier zeigt sich vor allem das malerische Geschick in der Lösung einer solchen Aufgabe. Gegen hundert Menschen
in den Trachten aus aller Herren Länder bei einander, und das alles malerisch auf einen harmonischen Ge-
samtton abgestimmt! Doch wenn die modernen Engländer sich an das Gebiet der Sittenschilderung machen, so
scheint es ihnen nur selten darauf anzukommen, ähnlich wie Hogarth einzelne tiefer angelegte Charakterbilder
des Lebens zu geben. Der malerische Gesamteindrnck ist ihnen in der Regel die Hauptsache. — Als Land-
schaftsmaler lernen wir Herkomer hier besonders in einem schönen Herbstbilde schätzen. Herkomer sieht die
Wiesen und Wälder gern in einem weichgestimmten, rosigen Abendlicht, welchem unsere modernen Landschafts-
maler gern aus dem Wege gehen. Die Malerei der vorangegangenen Generationen hat zu viel in diesem
süßlichen Abendrot gesündigt, so daß die Jüngeren es geflissentlich vermeiden, dieselben Trümpfe auszuspielen.
Aber es ist merkwürdig, mit welchem Geschick die englischen Maler zuweilen eine als längst überwunden geltende
Malweise neu beleben, lediglich durch ihre hohe malerische Begabung.

Selbst bei den Schotten, welche so gern in ihren Bildern so unbefangen als möglich nur die innere
Stimme der Natur belauschen, läßt sich dies gelegentlich erkennen. Einer der besten unter den jüngeren Malern
von Glasgow, John Lavery, bringt unter seinen hier ansgestellten großen Porträts eine Gruppe von zwei
jugendlichen vornehmen Damen, die merkwürdig an die gezierte Sentimentalität der älteren englischen Porträt-
maler« erinnert. Wie die Marmorstatue der sitzenden Agrippina, so ist die eine der Damen dargestellt, wie
sie in gemessener, statuarischer Ruhe die Hände vor sich in dem Schoß zusammenlegt. Der fein geschnittene
Kameen-Kopf ist ganz in das Profil gestellt, um die plastische Schönheit der Umrißlinien so deutlich als
möglich hervortreten zu lassen. In der Haltung der Damen ist nichts von der Unbefangenheit, welche die
moderne Porträtmalerei sonst so gerne in ihren Bildnissen zu erreichen sucht. Die Damen wissen, daß in
dieser Haltung ihre Erscheinung am günstigsten zum Ausdruck kommt. So haben sie vor dem Maler Platz ge-
nommen, und so warten sie in kühler, abgemessener Ruhe, bis das Bild fertig ist. Aber mit welcher Meister-
schaft ist das gegeben! Diesmal ist Lavery der einzige unter den Briten, der an dieser, drüben in dem Insel-
reich von alters her, seit Van Dycks Tagen, weit verbreiteten Auffassung der englischen Porträtmalerei fest-
hält. Die übrigen Porträtmaler von Glasgow suchen so zwanglos als möglich die unbeobachteten Augen-
blicke des Lebens wiederzugeben, so namentlich James Guthrie. Dieser bringt hier das große Bild eines
Mädchens, das mit der ganzen Nonchalance eines unverfrorenen Backfisches behaglich im Lehnsessel Platz ge-
nommen hat. Man sieht es der angehenden jungen Dame an, daß es ihr nicht darauf ankommt, zu gefallen.
Sie will möglichst bequem dasitzen, und deshalb hat sie sich so wohlig in dem Lehnsessel zurückgelehnt. Die
Farbe ist hier mit einer beispiellosen Flüchtigkeit auf die Leinwand hingefegt. Die groben Fäden der Leinwand
sind kaum von diesen breiten Pinselzügen bedeckt. Doch die einzelnen Farbenflecken fließen harmonisch zu-
sammen, sobald man nur den rechten Abstand von dem Gemälde nimmt. Auch koloristisch ist dieses Porträt

eines der besten der Ausstellung.
George Sanier aus London bringt
ein Männerbildnis, dessen Gesichtszüge
in dem von allen Seiten hereinfluten-
den Lichte jeden festen Schatten ver-
loren haben. Das technische Problem,
die Gesichtszüge Licht in Licht darzu-
stellen, ist hier bereits an der äußersten
Grenze angelangt. Der Londoner Maler
hat dies mit der größlen Geschicklichkeit
gelöst. Aber warum in dieser Weise die
Schwierigkeiten häufen? Treten nicht
in dem geschlossenen Seitenlicht der
älteren Porträtmalerei die Gesichtszüge
und ihre Gebärdensprache viel deutlicher
hervor als in einer derartigen Lichtfülle,
in welcher die Farbe der Augen zum
blassen ausdruckslosen Schatten wird?
Von den schottischen Porträtmalern sind
diesmal ferner besonders zu nennen:
punka da Madonrtka. von Gustav Schöulcber. Alexander Roche, Edward Walton

Intern. Kunstausstellung Is89H des Vereins bildender Aünstler (Secession) zu München. IlHO
 
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