Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

DOI Artikel:
Heilbut, Emil: Eindrücke von den Pariser Salons, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0395

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Lindrücke von den Pariser Salons. von Her man Helfer ich.

5N

Farben sich modelliert, wir sehen sie oben blau, sie
strahlt des Himmels Bläue wieder, und unten grün,
weil sie das Gras zurückstrahlt; uud in derselben Inten-
sität sind die Frauen im hellsten Lichte gemalt, sodaß
ihre Gliedmaßen in violettem Scheine ans dem hell-
grünen Gras hervortreten; und alles ist voll von dieser
versengenden Helligkeit. Es ist nicht auszusprechen, wie
hell das Bild ist, und es ist fabelhaft, mit welcher
Kühnheit, mit welcher Energie, mit welchem Können der
Maler sein Thema ergriffen hat, ohne in irgend einem
Punkte zu erlahmen oder konventionell zu werden. Es
fehlt ihm nichts außer der Poesie. Es fehlt dem Bilde
also alles; denn alles sonstige, die Helligkeit, die Reflexe, die
großen Vorzüge des Rochegrosseschen Malens, nicht wahr?,
könnte man entbehren, nur die Einhaltung der Märchen-
stimmung nicht. Und diese hat der mehr glänzende als
innerliche Künstler leider nicht erreicht.

Trotzdem fällt alles, was rings um dieses Werk
hängt, in sich zusammen, wenn man es mit diesem (ob-
gleich es verfehlt ist) bis jetzt interessantesten Werk des
jugendlichen Meisters vergleicht. Der alte Bonnat,
der ein meisterhafter, wenn auch oft sehr harter Porträt-
maler ist, hat eine große Komposition ausgestellt, die ge-
wissermaßen mehr befriedigt als Rochegrosses Bild, aber
längst nicht so viel Talent zeigt. Er hat den Genius
der Kunst für die Stadt Paris gemalt. Wenn wir nicht
wüßten, daß es der Stadt Paris sehr gut mit ihrer
Kunst geht, würden wir an der Stelle der Stadt eine
solch lederne Darstellung ihrer Kunst übel nehmen.
Niemals ist Bonnat, der für derartige Aufgaben, die
eine delacroixartige Begabung erheischen, nicht Schwung
genug besitzt, mit einer seiner größeren Kompositionen
so weit hinter dem Ziele geblieben! Tie Kunst sitzt auf
einem Pegasus und hebt sich, eine Fackel schwingend, gen
Himmel. Sie wird von einer Gestalt mit einer Leier
begleitet. Vom Himmel schwingt sich eine andere Gestalt
herab, sie beeilt sich (sie fällt fast, so sehr beeilt sie sich),
dem Genius einen Lorbeerkranz darzubieten. „Thu'
ich's heute nicht, kann ich es nie mehr thun",
scheint diese Gestalt Bonnat gegenüber zu denken.

Und unter dem Kunst-Genius sind Gestalten, die
wir nicht verstehen, Athleten, von denen wir nicht
wissen, was sie hier wollen; dann sieht man Eulen
und auf der linken Seite weiße Tauben, und der
Pegasus ist sehr weiß und die Luft schrecklich blau,
und das Ganze ist wirklich sehr schlecht, einen Maler
von so großem Ruf in der unwürdigsten Weise
vertretend.

„Die Berühmtheiten von Lyon" bilden den
Gegenstand eines außerordentlich umfangreichen
Bildes von Louis Edouard Fournier. Wir
bedauern, sagen zu müssen, daß dieses Bild die
berühmten Söhne jener Stadt nicht in geeigneter
Form verherrlicht. Die Ferne ist recht gut, da
sieht man eine stattliche Landschaft, die ein Strom
belebt. Aber vorne dieses Durcheinander von so
herzlich unbedeutend erfaßten Menschen! Meissonier
sitzt wahrhaftig da, als dächte er: gleich muß ich
meinen neuen Stiefel ausziehen, er drückt mich zu
sehr, und Puvis de Chavannes sieht so mißver-
gnügt aus, wie man auch in der That aussehen
darf, wenn man sich von Louis Edouard Fournier
malen lassen muß. Debat-Ponsan malte

einen traurigen Plafond, der Toulouse verherrlicht,
und Paul Quinsac eine Apotheose Gutenbergs.
Besser sind Rhone und Saone, dekorativ gedachte
Gestalten von Comerre. Ein „Attila" von du Mond
ist sehr nahe bei der Karikatur, er wird aber gehoben
durch die Nachbarschaft mit einem Bilde, das einer wirk-
lichen Karikatur gleicht und, von demselben Maler her-
rührend, ihn noch mehr in seiner ganzen Spezialität er-
kennen läßt. Er schildert hier „Das Leben der Nord-
männer". Hei, wie fliegen da die abgeschlagenen Hände
durch die Luft und wie grinsen die Gesichter derer, denen
sie abgeschlagen werden. Es ist nicht zu glauben, daß
das Leben damals so lustig gewesen sein soll. Auch
führen uns zahlreiche symbolistische Bilder das Leben
minder heiter vor. Doch stärker als die Gruppe der
symbolistischen Bilder sind die, die in der Napoleon-
Legende wurzeln. Man weiß, daß der Napoleonkultus
durch die Liebe zum Empirestil, durch neuerschienene
Memoiren aus der napoleonischen Zeit und durch Sar-
dous Madame Saus-Gene einen großen Aufschwung ge-
nommen hat. Im Salon sind eine erhebliche Anzahl
von Gemälden der Darstellung Napoleons und seiner Zeit
gewidmet. Eine der besten dieser Darstellungen, fein,
zart in der Farbe ist von Orchardson, eine der
wirksamsten, aber auch äußerlichsten von Jean Paul
Laurens, Jules Breton faßt in »Ta 6u cte la
recolte« den Rest seiner Begabung zusammen. Domi-
nique Audibert gab eines der besten unter den
kleinen Bildnissen des Salon. Benjami n-Co n st a n t s
schimmerndes Porträt einer Dame, das er „Schwarze
Diamanten" nennt, ist eins seiner besten Bildnisse, und
auch sein Porträt einer Dame in ganzer Figur würde
bei der großen Schönheit einzelner Teile nur gefallen
können, wenn nicht der Unterkörper der Dame der nötigen
Länge entbehrte. Der Reiz des Oberkörpers, die Leben
gewordene Grazie dieser Dame fällt auf. William
Carter gab ein ganz anders gefärbtes Bildnis; man
denkt an alte Meister. Der Maler steht unter dem guten
Einfluß einer koloristischen Empfindung, die sich an die

Heimatlos, von Mar v. Schmaedel.

Intern. 2iunstausstellung des Vereins bildender Aünstler (^ecesjwn) zu lNünchen.
 
Annotationen