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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Pecht, Friedrich: Die Jahres-Ausstellung 1894 der Künstlergenossenschaft zu München, [1]
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Heilbut, Emil: Eindrücke von den Pariser Salons, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0414

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Z2s Die Zahresausstellung der Künstlergenossenschaft zu München. — Eindrücke von den pariser Salons.

er eine große Anzahl Damen gebracht, die ihm, wenigstens so lange sie jung und hübsch sind, nicht ohne
Manier gelingen. Eine alte Fürstin ist dagegen vortrefflich, da man ihr die Vornehmheit in jedem Zug ansieht.
Auch ein Paar alter Edelleute sind prächtig geraten, das beste von allen bleibt indes doch das neueste Bismarck-
Bildnis, wo er den Kanzler in Uniform, den Helm auf dem Haupte, darstellt. Man sieht da die Spuren der
überstandenen Krankheit noch sehr deutlich auf dem blaffen, fast geisterhaften Gesicht, das dadurch trotz der noch
im alten Feuer blitzenden Augen etwas der Welt schon halb Entrücktes erhält. Das Bild macht darum einen
ergreifenden Eindruck und mutet an wie ein Schwanengesang. Ja man vergißt über dieser geistigen Macht
fast die Bravour des Malers, die hinter dem Historiker ganz zurücktritt. Weil man bei seinen Männerbildnissen
den Charakter so unübertrefflich dargestellt findet, so sind sie auch allen anderen vorzuziehen. — Frau Vilma
Parlaghi hat den Kossuth und den Schriftsteller Julius Rodenberg gebracht, dessen Abstammung sie aber
etwas gar zu schreiend betonte, während der alte Revolutionär eigentlich nur einen etwas schwachköpfigen
Greiseneindruck macht. Talent zum Malen hat die Dame aber doch, das muß man ihr lassen. — Zwei vor-
treffliche Männer-Bildnisse voll Mark und fester Zeichnung giebt dann der Schotte Neid. — Einen sehr
originellen Charakter lehrt uns Stoeving in seinem Bild des bekannten Architekten von Groszheim kennen,
und auch Fugel giebt anscheinend einen Geistlichen sehr charakteristisch, wie Meyn den Maler Looschen.
Die Wiener Porträtmalerei ist durch Krämer vertreten, der den Minister Strehmaier etwas anspruchsvoll,
dafür aber drei Geschwister überraschend frisch und liebenswürdig beisammen bringt. Der trefflichen Kämpffer-
schen Porträts habe ich schon gedacht, so daß mir nur noch ein köstliches Bild eines Gelehrten von Johanna
Bauck und ein allerliebster Mädchenkopf von Glücklich bleibt, sowie das Porträt eines noch jungen, anscheinend
vornehmen Mannes von Frithjof Smith, jedenfalls eine der besten Leistungen von allen. — In einem
zweiten Bericht wollen wir dann untersuchen, was die übrigen Fächer gebracht, da bis dahin auch noch viel
Rückständiges eingetroffen sein wird.

Eindrücke iian den Pariser Salons.

von Lerman Lelferich.

^'o wenig einladend, wie das Verweilen im Salon
der Champs Elysees, so anziehend und erfrischend
ist der Aufenthalt in der Ausstellung des Marsfeldes.
Von den vielen Individualitäten, die sich mit Glück
geltend machen, kann ich nur als Beispiele, nicht an-
nähernd ihre Zahl erschöpfend, einige nennen. Jacques
Emile Blanche entwickelt sich von Jahr zu Jahr besser.
Ursprünglich vielleicht nur eine feinsinnige Natur, die
im Umgang des Vaters mit Künstlern die Anregung
zur Kunst fand, ist er still geschmackvollen Vorbildern
nachgegangen, Vorbildern, die er freilich nicht so sehr
in der Heimat, wie jenseits des Wassers, in England
fand. Seinem zarten und feinen Wesen sagte jene eng-
lische Porträtistenschule zu, die, wie sehr sie auch in
England geschätzt wird, weit weniger, als sie ihrer frucht-
baren Einwirkuugsfähigkeit wegen verdient, auf dem
Kontinent zur Berühmtheit gelangt ist. Nicht so sehr
der bei weitem populärste dieser Künstler, Reynolds,
zog ihn an, jener Maler, dessen Palette Goldströme zu
entfesseln scheint, wie der sanftere Gainsborough mit
seinem Farbenzauber voll Mondglanz, mit seinen
Arrangements — um Whistlerisch zu sprechen — in
Weiß und Silber. Hatte sich nun Blanche in dieser
Malerei vervollkommnet, so war ihm doch in den meisten
seiner Produktionen etwas Nachgcahmtes anhaftend ge-
blieben; jetzt aber bewegt er sich in dieser Farben-
cmpfindung frei, und es ist fast erstaunlich, wie Geschöpfe
von heute in der Sprache, sozusagen des achtzehnten
Jahrhunderts, bei ihm lebendig werden. Es kommt ihm

freilich hierbei die Rückkehr der Mode in Paris zur
Tracht von 1830 zu statten; denn indem er mehrere
archaistische Probleme, von denen eins wieder ganz frisch
geworden ist, mengt, erobert er auch für das nicht frisch
gewordene natürlich etwas Terrain. Und so grüßen
uns von diesen Leinwänden liebenswürdig, nur vielleicht
sämtlich etwas zu hell in ihren Fleischtönen im Ver-
hältnis zum Hintergrund, Herren, Damen und Kinder
von heute; besonders die letzteren Bildnisse sind ganz
reizend, drollig und fein zu gleicher Zeit. Ein kleines
Mädchen ist mit einem Strohhut; ein anderes kleines
Mädchen, an einem Tisch mit Tassen sitzend, blickt uns
gerade entgegen. Es erfreut in diesem Maler die Ver-
bindung einer herzlichen Anteilnahme mit einer sehr
künstlerischen Finesse. Gleichzeitig kann man eine Be-
merkung indessen nicht unterdrücken, und die ist, Blanche
hat ganz sein Land aufgegebcn. Der Ausdruck, die
Gesten —- alles ist englisch gefärbt. Dies Phänomen,
daß ein Pariser — und sehr Vollblutpariser — so aus-
ländisch werden kann, kann nur durch mehrere Umstände
erklärt werden, die große Leichtigkeit des Reifens, die
man heute hat, die Einwirkung aus der Welt der
Litteratur, wobei dann besonders an Paul Bourget zu
denken wäre — und eine gewisse Schwäche.

Stott of Oldham, ein Maler, der sich schon
durch seinen Namen als Engländer charakterisiert, ihn
möchte ich als Pendant zu Blanche insofern ausstellen,
als ich mir denke, die beiden hätten sich gekreuzt, etwa
im Kanal, und der Franzose wäre nach England, der
Engländer nach Paris geraten. In diesem Engländer
blieb aber etwas Nebel; und just dadurch ist er inter-

') I. siehe Hesl 20.
 
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