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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Lippmann, Friedrich: Die Technik des Kupferstichs
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0436

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Die Technik des Kupferstiches.

Der entstehende Grat wird mit dem Schaber ab-
genommen, zuweilen aber auch, um besondere künstlerische
Effekte hervorzubringen, stehen gelassen. Die Kalte Nadel
wird in Verbindung mit dem Grabstichel und in Ver-
bindung mit anderen Arten der Technik angewendet. Es
können aber auch Platten mit ihr allein ausgeführt
werden. Häufig bedienten sich die Stecher der Schneide-
nadel, um die Hauptumrisse der auszuführenden Kom-
position mit leichten Linien in die Platte einzuritzen, als
Vorzeichnung für die Ausführung mit dem Stichel.

Die Radierung (Ätzkunst, Ätzung) beruht da-
rauf, daß die Vertiefungen durch Säuren, die das
Metall auflösen, in das Kupfer gebracht werden. Die
zum Radieren bestimmte polierte Kupferplatte wird zu-
nächst mit einer harzigen Masse, dem Ätzgrund, über-
zogen. Der Ätzgrund besteht — es giebt dafür eine
Menge verschiedener Rezepte — z. B. aus einer zu-
sammengeschmolzenen Mischung von Wachs, Harz, Asphalt
und Mastix. Die Mischung wird zu Kugeln geformt und
mit Seidenzeug umwickelt. Mit einer solchen Kugel wird
die erwärmte Kupferplatte bestrichen, und die sich hierbei
auf das Metall absetzende Masse mit dem Tampon
— einem in Seide eingewickelten, faustgroßen Ballen
weicher Leinwand — auf der Fläche gleichmäßig ver-
teilt. Ist dies geschehen, die Platte wiederum erkaltet
und der Ätzgrund hart geworden, so wird derselbe ge-
schwärzt. Das Schwärzen geschieht, indem die Platte
über eine stark rauchende Wachsfackel gehalten wird, so
daß sich der Ruß auf dem Ätzgrund absetzt. Auf der
grundierten und geschwärzten Platte zeichnet der Radierer
mit der Radiernadel, einer in ein Holzheft gefaßten
Stahlnadel ebenso, wie man mit dem Stift auf Papier
zeichnet. Er hat darauf zu achten, daß seine Striche
den Ätzgrund durchdringen, indem sie ihn fortkratzen
und auf der ganzen Länge des Striches das Kupfer
bloßlegen. Zwischen den Strichen, an allen Stellen,
die im fertigen Werke weiß sein sollen, muß der Ätz-
grund unversehrt bleiben. Der Radierer bedient sich
verschiedener spitzer und stumpfer Nadeln, je nachdem
er feinere oder dickere Striche hervorbringen will. Ist
die Zeichnung auf dem Ätzgrund fertig, so wird die
Platte geätzt. Als Ätzmittel benützte man früher aus-
schließlich Salpetersäure, das sogenannte Scheidewasser,
gegenwärtig hat man in vieler Hinsicht bequemere
Reagentien zur Verfügung. Man Pflegt um den Rand
der Platte einen etwa zollhohen Rand von Wachs zu
legen und in die Kufe, deren Boden die Oberfläche
der Kupferplatte auf diese Art selbst bildete, die Säure
zu gießen. Man kann aber auch die Platte in ein
flaches Gefäß, das mit Säure gefüllt ist, legen, wenn
man vorher ihre Rückseite mit Asphalt oder säure-
beständigem Firnis überzogen hat.

Entsprechend ihrer Stärke, der Zeit ihrer Ein-
wirkung, der Temperatur re., wird die Säure die von
der Nadel bloßgelegten Stellen des Kupfers mehr oder
minder stark ätzen, fressen, d. h. auflösen und vertiefen,
während die mit Ätzgrund bedeckten Flächenteile unbe-
rührt bleiben.

Der geätzte Strich unterscheidet sich von dem ge-
stochenen gewöhnlich schon dadurch, daß er überall
gleichmäßig verläuft, und nicht wie der Zug des Stichels
in eine feine Spitze endet. Das Ätzverfahren ist viel-
facher Abänderung fähig und läßt sich mit anderen Pro-

zeduren kombinieren. Man kann einzelne Partien der
Platte stärker als andere ätzen, indem man die Platte
stellenweise mit Firnis deckt, nachdem man sie geätzt
hat und auf die ungedeckten Stellen eine zweite Ätzung
wirken läßt und so Abstufungen der Töne Hervorbringen.
Nach dem Ätzen wird die Platte vom Firnis befreit,
indem man sie erwärmt und den Firnis abwischt. Die
geätzte Platte kann mehr oder minder umfangreichen
Nacharbeiten mit dem Stichel oder der Kalten Nadel
unterzogen werden. Man kann die charakteristischen
Eigenschaften der Radierung und der Stichelarbeit zu
künstlerischer Gesamtwirkung verschmelzen, indem man
z. B. die Fleischpartien, Luft, Wasser mit dem Stichel,
das Terrain, den Hintergrund in Radierung ausführt.
Andererseits kann die Radierung als bloße Vorarbeit
für den Stich behandelt sein, so daß in dem fertigen
Werk nichts mehr von der Ätzung sichtbar bleibt, indem
alle vorgeätzten Züge mit dem Stichel ausgetieft und
übergangen sind. Die verschiedenen Behandlungsarten
der Stichelarbeit sowie der Radierung, und ihre Kom-
bination mit einander und mit anderen, weiterhin zu
erörternden Arten der Vervielfältigung mittelst der Kupfer-
platte hat man als verschiedene Manieren zu klassifizieren
versucht. Die Geschichte des Kupferstichs zeigt aber,
daß eine schematisierende Klassifikation nicht ausreicht,
um alle technischen Prozeduren und die künstlerische
Vielgestaltigkeit derselben erschöpfend zu kennzeichnen.*)

Das Drucken der Kupferplatten geschieht in der
Regel auf Papier. In älterer Zeit kannte man nur
das sogenannte geschöpfte oder Büttenpapier. Das
Papier wird vor dem Drucken angefeuchtet. Die Druck-
farbe, Druckfchwärz e, besteht der Hauptsache nach aus
einem Gemisch von verdicktem Leinöl und feinem Ruß
(Frankfurter Schwarz). Auf die vollkommen rein ge-
machte Platte wird etwas Schwärze gebracht, und mit
dem Druckertampon, der aus einem Ballen von feinem
Flanell oder feinen Leinenlappen besteht, auf der Fläche
gleichmäßig verbreitet. Hierauf wird die Platte ge-
wischt, d. h. die Schwärze wird mit zusammengewickelten
Leinenlappen von allen glatten Stellen entfernt, bis sie
völlig blank sind, und die Farbe nur noch in den Ver-
tiefungen haftet, welche der Stichel hervorgebracht hat.
Während des Wischens Pflegt man die Platte auf einem
Rost, unter dem sich ein Gefäß mit glühenden Kohlen
befindet, warm zu halten, weil sich die Schwärze auf
dem leicht erwärmten Metall besser in die zartesten Ver-
tiefungen verteilt.

Die fertig gewischte Platte wird in die Drucker-
Presse gebracht. Die Kupferdruckpresse besteht aus
einem starken Gestell, das zwei, durch ein Triebwerk
um ihre Achsen drehbare, horizontal liegende Walzen
trägt. Zwischen den Walzen befindet sich ein ebenfalls
in horizontaler Richtung bewegliches, starkes Brett, das
Laufbrett. Die eingeschwärzte Platte wird mit der
Bildseite nach oben auf das Laufbrett gelegt, über sie
wird das vorher angefeuchtete Papier, und darüber
mehrfache Lagen feinen Wollstoffes gebreitet. Hierauf
geht das Laufbrett mit der Platte zwischen den mit

*) Die Worte Kupferstich, Stechkunst bezeichnen im engeren
Sinne die Arbeit mit dem Grabstichel, im Gegensatz zur Radie-
rung, im weiteren Sinne die Gesamtheit der Verfahren, durch
die eine Zeichnung zum Zwecke des Abdruckens in Kupfer ein-
gegraben wird.
 
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