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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Kohut, Adolph: Die Memoiren eines 83jährigen Bildhauers
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0480

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von vr. Adolph Ko Hut.

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ausrichten können. Zum Beispiel: ein Kutscher ist im
Leben ein niederer Mann; wenn er seine Herrschaft
nachlässig fährt, so wirft er sie in den Graben; fährt
er sie gut, so thut er seine Schuldigkeit und ist zu
achten." Solche Vergleiche gab er häufig zum besten.
Der geniale Feldherr verstand es, wie keiner, gleich
jeden Menschen nach seiner Individualität zu behandeln.
Besonders die Soldaten wußte er wie Kinder an sich
zu ziehen; sie liebten ihn wie ihren Vater. Dem Kaiser
Franz Josef II. und der Kaiserin Elisabeth, welche den
Künstler in seinem Prager Atelier oft besuchten, gefiel
das Radetzky-Modell sehr; ersterer sagte 1854 zu Max
u. a.: „Ich finde den Marschall sehr gut, auch in der
Ähnlichkeit seines Gesichts, sowie in seiner ganzen
Individualität. Sie haben ihn auch künstlerisch auf-
gefaßt; die Durchführung ist ebenfalls gut, und ich
kann Ihnen dazu nur gratulieren." Ebenso wohlwollend
sprach sich auch die Kaiserin aus. Leider war es
Radetzky nicht mehr vergönnt, die Enthüllung seines
Denkmals, welche im November 1858 stattfand, zu
erleben, da er bereits am 5. Januar des genannten
Jahres in der Villa Reale in Mailand starb. Die
Ursache seines Todes war nicht Altersschwäche, sondern
ein Beinbruch — aus Galanterie. Die Gräfin Wall-
moden besuchte den Marschall öfters. Bei einer solchen
Gelegenheit hatte er beim Weggehen der Gräfin die
Höflichkeit, die ihm ja immer eigen war, sie bis zur
Thüre zu begleiten. Er stolperte dabei über den Teppich
und brach das Bein. Die Heilung war schon wegen
des hohen Alters von 92 Jahren an und für sich
schwierig, so daß die Tage seines Lebens gezählt waren.

Besonders innig gestaltete sich das Verhältnis von
Emannel Max zu dem geistreichen Erzherzog Ludwig
Salvator von Toscana, der Ende der 60 er Jahre in
Prag die Rechtswissenschaften — privatim — studierte.
Er war ein fleißiger Besucher des Maxschen Ateliers.
Als er im August 1868 sein gelehrtes und interessantes
Werk über die „Balearen" herausgab, sandte er es dem
Künstler. Der Verfasser schrieb in das Dedikations-
exemplar die Worte: „Herrn Bildhauer Emannel Max
zur Erinnerung hochachtungsvoll vom Verfasser Erz-
herzog Ludwig". Seitdem blieben der Erzherzog und
der Künstler stets in regem Briefwechsel. Ich hatte das
Vergnügen, in den reichen Briefschatz von Max einen
Blick zu werfen, und kann versichern, daß sich alle diese
Zuschriften durch einen überraschend gediegenen Ge-
dankenschatz auszeichnen. Es wäre sehr zu wünschen,
daß die schönen und tiefsinnigen Briefe des Erzherzogs
einmal veröffentlicht würden!

Wie das österreichische Kaiserpaar, so besuchte den
Meister auch der Kronprinz Rudolf wiederholt in
seinem Atelier. Dieser war 13 Jahre alt, als er am
13. Juli 1871 zum erstenmale bei dem Künstler vor-
sprach. Der Verfasser berichtet darüber wörtlich:

„Bei mir interessierte sich Se. Hoheit für alles
sehr. Weil die Kunst mit dem Gefühl zu thun hat,
so erwärmt sie auch. Mit jugendlicher Naivetät fragte
mich der Prinz über alles aus. Nicht nur die Gegen-
stände, die ihm gefielen, mußte ich ihm erklären,
sondern auch, wie die ganze Manipulation vor sich
gehe: die Behandlung des Materials, besonders des
Marmors, mußte ich ihm erklären. Ich ließ den Kron-
prinzen auch absichtlich mit dem Eisen und Hammer

probieren, damit er die Härte des Materials kennen
lerne. Es war an einem Kruzifix, welches nach Jahren
in die Aula kam. Beim Beginn war er besorgt, daß
er zu viel abhauen könnte; auf meine Aneiferung
schlug er tüchtig darauf los; es ging aber nur Staub ab.

Zuletzt fand Se. Hoheit noch an einem versteckten
Platz einige Briefbeschwerer. Auf die Finge, zu was
ich dieselben benützte, bemerkte ich, daß es nur gewöhn-
liche Briefbeschwerer seien. Ich erlaubte mir zu fragen:
ob ich Sr. K. Hoheit einen anbieten könne, und daß
mir die Annahme desselben eine große Freude bereiten
würde. Der Prinz und ich sahen auch gleichzeitig den
begleitenden Erzieher Se. Exzellenz den General-Major
Latour an, gleichsam um seine Meinung und Ge-
währung einzuholen. Dieser erwiderte gleich: „Wenn
Herr Max so gut ist, nehmen Sie ihn an". Der
Prinz dankte sehr herzlich für das kleine Geschenk.

Als ich äußerte, daß ich schon zweimal das Glück
hatte, die Allerhöchsten Eltern und mehreremal auch den
Großpapa mich beehren zu sehen, sowie, daß ich ihnen
auch einige Arbeiten geliefert habe — einen heiligen
Sebastian, eine kleine Radetzky-Statuette und die Pietä
— meinte der Kronprinz: „Ich habe es gehört und
die Marmorstatuette sowie die Gruppe kenne ich ja.
Sie ist ja bei uns in der Burg". Bei der Abfahrt
dankte er nochmals mit einem freundlichen Händedruck.
Man sah, er wäre noch gern geblieben; er wurde aber
gedrängt, da für diesen Tag noch ein großes Programm
durchzumachen war. Jeder, der Gelegenheit hatte, mit
dem jugendlichen Prinzen in Berührung zu kommen,
mußte ihn liebgewinnen. Er verriet sowohl Geist als
Kenntnisse und zeigte sich sehr wißbegierig; dabei war
er sehr liebenswürdig. Nach allen diesen Beobachtungen
zu schließen, ist es natürlich, daß man für seine Zukunft
die besten Erwartungen hegte."

Möge schließlich hier das künstlerische Glaubens-
bekenntnis mitgeteilt werden, welches der Greis, ein
stets den hehrsten Idealen huldigender Genius, ausspricht
und das als ein teures Vermächtnis für die Epigonen
gelten kann:

„Was den Zweck und die Würde der Kunst an-
belangt, so muß ich leider sagen, daß so mancher ihrer
Jünger bei selbst schon bedeutenden Leistungen doch
nicht immer das richtige Verständnis dafür besitzt, was

Kunstliebhaber, von M. Fortuny.

Die Kunst für Alle IX.

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