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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft 1900)
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Göhler, Georg: Johannes Brahms
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0064

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Fobmmes Wrabms.

Man hat im Laufe dcr lctzten Jahre mehrfach gefragt, warnm
dcnn der Liunstwart so wenig von Brahms sprcche. Jetzt, nachdcm scit
dcm Tode des Künstlers zwei Jahre verflossen sind, ist es wohl an der
Zeit, einmal zu solchen Anfragcn ivie nberhaupt zu der gcsamten Kunst
von Brahms auch öfscntlich mit ein paar allgemeinen Gedankengängen
Stellung zn nehmen. Jn crster Reihe ist gcgenüber dcm Befremdcn
über cine scheinbare Zurücksetzung sreilich zu betonen, dnß Brahms schon
zu seinen Lebzeiten, besonders aber jetzt in den letzten Jahren durchaus
allgemein anerkannt und in den deutschen Konzertsälen sehr viel auf-
geführt worden ist. Es liegt also rein „kunstpolitisch" keine Veran-
lassung vor, auf ihn als einen Verkannten hinzuweisen und für scine
Kunst Propaganda zu machen. Denn dic Geringschätzung, mit der eine
gewisse Partei unter den Fachmusikern auf Brahms blickt, ist ja in der
Hauptsache sozusagen ihr Privatcigcntum gcblicben, im öffentlichen
deutschen Kunstlebcn wird Brahms überall scin Ehrenplatz zuerkannt.
Zu seiner „Rettung" war also nichts zn thun. llnd der Stand seincr
Wertschätzung hatte im allgcmeinen auch nicht eine Höhe erreicht, die
zum Widerspruch herausfordcrte.

Benutzcn wir also die Gelegenheit, um einmal überhaupt die
Stellung des Kunstwarts zu Brahms zu bezeichnen. Wügcn wir unbe-
fangen ab, wie groß die Bedeutung seiner Kunst für unsere Tage ist,
ivorauf sie beruht und wodurch sie bcgrenzt wird.

Es ist bekannt, daß Brahms seine Einführung in die Kunstgeschichte
dem glänzenden Geleitsbrief vcrdankt, mit dcm ihn Nvbert Schumann
in seiner „Ncuen Zeitschrift für Musik" dcn Musikcrn und Kunstfreunden
jcner Tagc (s8öZ) vorstelltc. — Der hohe Schwung begcistertcr Vcr-
herrlichung, der dnrch diese Zeilcn des alternden Tondichters geht, ist
pspchologisch leicht verständlich. Schumann sah in dem jungen Brahms
seine eigenc Jugend mit ihren hohen Jdealen, ihrem sicgesgewissen Frci-
heitsdrang wieder erstehen. Jhn hatten Lebenskrcise umzogen, die ihn
einengten, cr war im Anschluß an Mendelssohn und die Professions-
musik nicht der geworden, der er wcrden wollte nnd der er hütte werden
können. Die Tage der L-ciur-Phantasie und des Karneval lagen weit
hinter ihm. Und nnn kam aus dem wässrigen Hamburg ein Jüngling,
dessen Erstlingswerke ganz den Zug kraftiger Selbstbestimmung und kühner
Phantasie hatten, wie cinst die scinen. Der konnte erreichcn, was ihm
oersagt geblieben. Ehe seinen Geist die diacht umfing, wollte cr noch
der Welt den zcigen, der sein Erbe antretcn sollte.

Der echte „Brahmine", der, dessen Faust sich bnllt, wenn er das
Wort „Epigone" nur von fern hört, mag nichts davon wissen, daß
Brahms ganz aus Schumann fußc. „Brahms, dcr Nachfolger Beet-
hovens", so müchte er ihn eintragcn in das Buch der Musikgeschichte.
Aber es wird nicht vicl hclfen: Je mehr man unbcfangen in Brahmsens
Kunst eindringt, um so deutlicher wird man gemahr, daß man überall
auf Spurcn wandelt, die Schumanns Tritte vcrraten. Freilich dic
Zeiten waren andere gcworden. Schumann war aufgewnchsen, als Jean
Paul der Liebling der schwärmendcn Jugend war und als Hosimanns
Spuk-Romantik herrschte. Dieser Nausch wnr jetzt vorüber, aber die
Uunstwurt
 
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