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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 17 (1. Juniheft 1900)
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Avenarius, Ferdinand: Unsere Lyrik und Mörike
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Erdmann, Karl Otto: Die Nebenwerte der Worte, [2]: Wörter von gleicher Bedeutung, Übersetzungen, Fremdwörter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0178

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haben neulich erst gesagt, was wir im besondern von Heines Lyrik
und warum wir sie nicht etwa gering halten. Aber mit der keuschen
Ursprünglichkeit des lyrischen Hellsehens bei Mörike Heines geistreiche
Bewußtheit vergleichen zu wollen, führte ab vom Wege unserer Kunst.
Freilich, Heine ist auch im Auslande anerkannt. Das Geistreiche, auch
das Geistvolle kann allen Kulturvölkern verständlich sein, das Gemüt-
volle ist vielleicht immer nur verwandten Menschen verständlich. Und eS
dienen zu seiner Vermittelung nicht die Begriffe, sondern eben die an die
Sprachgrenzen gebundenen „Nebenwerte" der Worte, die oft wieder
Stimmungen Ausdruck geben, welche nur der Heimat entwachsen. Des-
halb gibt es keine internationale Lyrik, die echte Lyrik ist, und ist es
kaum ein Lob für eine Lyrik als Lyrik, wenn sie in alle Sprachen über-
setzt werden kann*. Mörikes Lyrik kann das nicht, kann's ebensowenig
wie Goethes Lyrik oder das Lyrische im Faust. Aber die edelste Blüte
der deutschen lyrischen Kunst nach Goethe bleibt sie, an dichterischem
Feinheitsgehalt selbst von der Uhlands nicht erreicht. Die großen Lyriker,
die neben Mörike lebten, Hebbel, Keller, dann Storm, haben auch alle
ihr Gold erkannt. Daß diese Lyrik bis in die letzte Herzfaser hinein
deutsch ist, ist selbstoerständlich. Denn wer aus den letzten Tiefen der
eignen Persönlichkeit schöpft, muß ja dort auch die Quellen treffen, zu
denen die Wurzeln der gemeinsamen Rasse gehn.

Jch habe nicht gesprochen von Mörike, dem köstlichen Erzähler.
Wer den „Maler Nolten", „Mozarts Reise nach Prag" oder die kleineren
Stücke liest, wird noch heute reichen Genuß davon haben, versteht er's,
ein wenig auf den Geist der Zeiten einzugehn. Es ist nicht unmöglich,
daß „Mörikes Prosa" wieder einmal in Aufnahme kommt, — aber
nicht wahrscheinlich, ausgenommen einzelne wenige Stücke, daß sie lange
in Aufnahme bleibt. „Herrlich wie am ersten Tag" ist doch nur Mörikes
Lyrik noch, sie aber wird es auch bleiben durch Jahrhunderte. Und thun
wir das unsre dazu, das Volk oder zunächst auch nur das Völkchen der
„Gebildeten" recht lieben zu lehren, was hier lebt, so geben wir ihm
schon unsäglich viel. Denn wir geben ihm nicht nur Mörikes Lyrik da-
mit. Wir geben ihm mit der Freude am Besten zugleich das Urteil für
das Gute, wo es auch wachse. A.

Die Oebenwerte der Morte. 2.

wörter von gleicher Be-eutung. Itebersetzungen. Freindwörter.

Gibt es Wörter von ganz gleicherBedeutung? Diese
Frage drängt sich unwillkürlich auf, wenn man synonyme Ausdrücke analysiert
oder Literaturwerke mit ihren Uebersetzungen vergleicht.

Man pflegte bisher den Unterschied im Eindruck zweier Worte lediglich
auf einen — allerdings oft nur sehr feinen — Unterschied im begrifflichen Jn-
halt zurückzuführen. Schopenhauer spricht von „p änid entisch en" Begriffen
und schildert die Schwierigkeit der Uebersetzung in trefflicher Weise: „Nicht für
jedes Wort einer Sprache findet sich in feder anderen das genaue Aequivalent.
Also sind nicht sämtliche Begriffe, welche durch die Worte der einen Sprache

* Man wolle nachlesen, was Erdmann gerade in diesem Hefte von
Uebersetzungen sagt; es genügte, glaub ich, allein, um die Schätzung des
internationalen Ruhms zumal beim Lyriker stark „umzuwerten".

Aunstwart
 
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