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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1900)
DOI Artikel:
Kalkschmidt, Eugen: Kulissenzauber
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0365

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Ikulissenzauber.

So alt die Meinung ist, datz unser Theater als eine Stätte künst-
lerischer Erbauung unter künstlerischen Grundgesetzen zu stehen habe, so
alt ist auch der kritische Kamps wider alles, was die Erfüllung dieser
Gesetze hinderu kann. Vor allem war und ist es ein Widersacher,
desscn vcrdcrbliche Macht erst die gehätschelte Bühne des neunzehnten
Jahrhunderts ganz zu spüren bekam: die Macht des übermähigen Theater-
pomps. Das ist cin gefährlichcr Geselle vorzüglich darum, weil man
seincr Dienste am Theater bedarf, ihn also nicht kurzerhand hinaus-
werfen oder totschlagen kann. Sondcrn man mutz ihn gelten lasscn, ihn
brauchen als einen dienstbaren Feind, der sosort Unheil anrichtet und
die Herrschast an sich reißt, sobald er sich unbewacht sieht. Er ist ge-
fährlich, weil er den harmlosen Sinnen der Hörer gefällig zu schmeicheln
weitz, bald so, bald so; in immer neuen Masken, wie sie die flüchtigen
Launen der Zeit vcrlangen. Jm Grunde aber bleibt sein Wesen stets
das alte, und unsere Waffen gegen ihn bleiben es auch. Höchstens,
datz wir hcut in den Tagen der Maschinenkünste ein wenig kräftiger das
gutc Recht des freigeborenen Kunstwerkes auf ein freies Verlebendigen
verteidigcn müssen als unserc Vorkämpfer. Von denen klagte einer schon
im Jahre s8sl darüber, „datz durch die Verwöhnung des Geschmacks in
Absicht auf den Glanz der Dekorationen und die Pracht der Kleidungen
die Verwaltung der Theater cin verwickeltes und kostspicligcs Gcschäft
gewordeu ist, wobei denn oft die Haupterfordernisse, nämlich gute Stücke
und gute Schauspicler den Nebensachcn nachstehcn müsscn."

Gerade diese geschmacklose „Verwöhnung des Geschmacks", die
immcrhin Schlegel nur nebenbei der Erwähnung ivert dünkte, sie, sür
die wir dic Bczeichnung .Meiningerei" anzuwenden pflegen, wuchert
hcute auf unscrcn Bühnen üppiger denn je. Und so bedarf sie aller-
dings nicht nur dcr mildcn Erwähnung, sondcrn des scharfen Wortes.
Diescs richtct sich natürlich nicht gegcn die Bräuchc jener sogcnannten
Muscntempcl, in dcncn Prospcktc, Maschinen und eine zu jedem Dienst

Kimstwart 2. Anaustheti 1900

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