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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 14 (2. Aprilheft 1900)
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Unsre Noten und Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0100

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Nnsre Ooten und Wllder.

Nnsere Notenbeilagc bringt diesmal als Ergänzung zu dem Aufsatz
übcr Brahms das letzte Stück aus der Liedersammlung 57. Bercits
in dem Aufsatze selbst sind diese Gesänge zu Gedichten von Daumcr als
eine der bedcutendsten Gaben Brahmsscher Tonkunst erwähnt wordeiu Da
gerade dieses opus verhältnismäszig sehr wenig bekannt ist, empfehlen wirs
allen Musikfrcundcn auf das Wärmste zum Studium, ueben dcm in unserer
Beilage mit freundlicher Erlaubnis des Verlegers sRicter-Biedermann) abge-
druckten Stück vor allen Dingen die Nummern 3 („ES träumte mir, ich sei dir
teuer") und („Ach, wcnde dieseu Blick"). Das von uns gewähltc Stück gibt
gleichzeitig eine Probc von Brahmsens Kunst, dic Stimmung in dor Natur
und die im Menschen zu eincm musikalischen Ganzen zu vcreinigen. Schon iu
den ersten q. Takten ist die müde machende laue Luft, die schwüle Ruhe meister-
haft in Tönen dargestellt; dic Begleitungsfigur dcr letzten beiden Zeilen auf
der ersten Seite mutz ganz glcichniätzig, ohne jede Aufdringlichkeit, „gespielt" (!)
werden. Jn vollsten Gegensatz zu der nächtlich toten Ucberleitung mutz dann
dcr U-äur-Satz treten: „Aber im Gemüte schwillt heitzere Begierde mir." Wie
treffend ist hier das leidenschaftliche Fiebern durch den ruhelosen Touartcnwechsel
gezeichnet, ivie flammt in den solgenden Takten „aber in der Ader quillt Leben
und verlangt nach Leben" die Musik bei dem Worte „Lebcn" lichterloh auf. Und
nun klingt durch die „unbewegte, laue Luft" (die Wiedercinführung des Anfangs-
motivs wirkt wie Jasminduft) die Frage: „Sollten nicht auch deine Brust
sehnlichcre Wünsche hcben?" Diese Fragen ivie die folgcnde Ausfordcrung inüsseu
micder ganz von der schwülen, leise zitternden Nachtstimmung getragcn scin
aus der sich dann mit einem plvtzlichen Aufschwung (zivci Taktc crosoovcko
moito am Ende von Seite 5 nicht vergcssenl) das „Komm, 0 komm, damit wir
nns himmlische Genüge geben" losringt. Jn die selige Versunkenheit des
Schlusses klingen mieder die Stimmen der Nacht hcrein. — Das Lied gehürt
zn denen, bei dencn es Stimmc und Gesangsknnst allein nicht thun! Wahr-
scheinlich ist deshalb die ganze Sammlung bei unseren Süngern — einige
wirkliche Künstler ausgcnommen — so unbeliebt.

Unsrc Bilderbeilagen bringen hcut zmei dor herrlichsten Schöpfungcn
von Albrecht Dürer. Gerade in der religivsen Kunst, die sich mit ihren
Vervielfältigungen an weitere Kreise des Volkcs wendet, ist jetzt bci uns Dcutschen
eine Schwächlichkeit und Sühlichkcit nicht uur cingcdrungen, sondern zur Herr-
schaft gekommcn, dic uns dcn Ruf abringt: „Dürer, hilf!" Wer die mnchtigo
Grötze, den tiefen Ernst Albrecht Dürers crst einmal recht cmpfundcn hat, dcn
wird nicht stvren, was vergänglich auch an diescm Uusterblichen war, sondcrn
er wird eben das Unsterbliche in ihm vor sich lebcn und zu sich sprcchen schen.
Das Gebet des Herrn, an dcm der Kelch nicht vorübcrgeht, wie die „Drei-
faltigkeit" sind Schöpfungcn von erhabner Wucht dcs glüubigen Empfindens.
Fühlt man das nicht sogleich, so schaue man sich die Bildcr wieder und wicder
an, bis man's fühlt, man wird es fühlen.

Die Kunstparagraphcn der Lex Heinze. (A.) — Neuc Nomane. Von
Adolf Bartels. — Johanues Brahms. Von Georg Gühler. — Losc Blüttcr:
Aus „Eyscn" von, Georg von Ompteda. — Rundschnu. — Notcnbeilage:
Johannes Brahms, Aus „Lieder und Gesnnge" op. 57, Nr. s. — Bildcrbei-
lagen: Albrecht Dürer, Christus und der Kelch; Dreifaltigkeit.
 
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