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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 14 (2. Aprilheft 1900)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0087

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Am andercn Morgen, am r.Februar >888 um sieben Uhr zehn Minutcn
schoß beim ersten Kugelwcchsel Herr von Zackerode dcn Hofchef des Fürstcn
von Sarnheim-Rcsa, Fabian Christobald Heinrich Ernst Freiherrn von Eyscn
und Ley — tot.

Nundscbau.


* „Die sogenannte Heimat-
kunst" schrieb neulich das „Berliner
Tageblatt" bei Gelegenheit einer Ber-
liner Vorlesung Karl Söhles. Za, ja,
die sogenannte Heimatkunst beginnt ge-
rvissen Leuten unheimlich zu werden,
und so fängt man an, sie, die still
heraufgekommen ist und nie dcn An-
spruch erhoben hat, eine neue litera-
rische Richtung zu sein, zu besprechen,
und man versucht sie zu diskreditieren.
Das Motiv liegt auf der Hand: alle
jene Schriftsteller und Dichtcr, deren
Schaffen nicht dem Leben, sondern dcr
Literatur entstammt, sie, die weiter
nichts besitzen, als den „Geist", der
neueFlicken auf alte Kleider setzt, besten-
salls alte Stoffe zu modischem Geivand
vcrarbeitet, müssen die Heimatkunst,
die da voraussetzt, daß dcr Dichter
eine Heimat, VoW- und Stammesge-
fühl, festen Boden im wirklichen Leben
besitze, fürchtcn; denn sie selber können
mit ihr nichts anfangen, und sie gräbt
ihrer „Kunst", ihrem Kunstgeschäft das
Wasser ab. Und so kommcn die merk-
ivürdigsten Anklagen gegen die Heimat-
kunst- „Es steckt etwas in dem Be-
griff, was an eine scheue Flucht vor
dcm machtvollen Gang der lebendigen
Gegenwart erinnert", schreibt z. B. cin
Berliner Kritiker. „Die Jdee von der
Heimatkunst bleibt ein Notbehelf in
cincr Periode, die sich neu gesteigerter
Welterkcnntnisse rühmt, die vom Be-
wußtsein des internationalen Verkehrs
überflicßt und große Erdaufteilungs-
pläne hegt. Unbändig fast stampft das
Wirtschaftsgetriebe in unserem Deutsch-
land einher; es schreit vor Brunst, um
cin Björnsonsches Wort zu gebrauchen;
und die rein geistigen und ästhetischen
Elemente werden scheu, übersensitiv
odcr vcrzagt. Bis zur Exaltation

schweift die Unternehmungslust aus.
Man möchte einen Teil von dicser
Exaltation den dichtenden Köpfcn
gönnen. Aber unsere Dichter sinniercn
romantisch und träumen verschwicgen
oder man rät ihnen: da Jhr doch das
Meer unseres Lcbens nicht umsegeln
könnt, so befahrt auf hcimatlichcm
Kahn das friedliche heimatliche Ge-
wässer. Es ist in all dem Zwiespnlt
und Widerspruch zwischen Leben und
Kunst." Vcrzeihung, aber eben diesen
Zwiespalt will die Hcimatkunst aus-
gleichen, indem sie den Dichtcr fcst
auf den Boden seiner Heimat stellt.
Friedliche heimische Gewüsser, das kann
ich den Berliner Herrn aus eigencr
Erfahrung versichcrn, gibt es längst
nicht mehr, überall ist der Kampf der
Mächte der Gegenwart. Aber die hci-
mische Natur ist freilich noch da, auch
ist das eigentümliche Vvlkstum noch
keineswegs überall verschrvunden, beidc
ivollen wir treuer darstcllen, als cs
bishcr gcschehen ist, nicht im Widerstrcit
mit dcm Geiste der Zeit, aber in rich-
tiger Schätzung dessen, was wir von
Natur sind und was wir von Natur
haben,nicht in einseitigcrUcbcrschätzung
des Moderncn. Ei, die Bcrlincr Herren
täuschen sich sehr, wenn sie uns für
scheu, übersensitiv und verzagt halten,
uns mit den romantisch sinnierenden
Symbolisten ä I-i Stephan Gcorge zu-
sammenwerfcn, wir fürchten wedcr die
gesteigerte Wclterkcnntnis, noch den
internationalen Verkehr, noch die in-
dustrielle „Brunst"; dcnn wir wissen
sehr wohl, daß die alte Mutter Erde
doch zuletzt immer das Bcste thun
muß, und daß Blut ein ganz bcson-
derer Sast ist. Die Mehrzahl von uns
ist ganz entschicden für die nationale
Weltpolitik, aber wir wollen deshalb
2. Aprilheft >900
 
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