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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 19 (1. Juliheft 1900)
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Rundschau
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Unsre Noten und Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0288

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träge zur Völkerpsychologie, wie sie
interessanter kaum geboten werden
können.

Abendröte und Morgenröte streiten
hier um die Palme, ein energievolles,
mächtig aufstrebendes Volk, das gern
ein künstlerisches Volk werden möchte,
und ein Volk, das von seiner alten
Kulturüberlegenheit zehrt und von ihr
verzehrt wird. Wir beschäftigen uns
hier, das sei gleich vorausgeschickt,
nicht mit der Großindustrie der beiden
Völker, die nicht in unserm Rahmen
liegt, sondern vorwiegend mit ihrem
künstlerischen Wollen und Können. Um
dies zu beachten, genügt nicht ein
flüchtiges Erfasscn der Aeußerlichkeiten;
nicht die Dinge, die an der Oberfläche
liegen, sind ausschlaggebend, sondern
die starken Unterströmungen, die ihre
Quellen in der tiefsten Natur des
Volksgeistes haben.

An die Oberflächc treten: das mili-
türische oder preußische Deutschland,
bis an die Zähne gewappnet, verkör-
pert durch den erzenen Adler als
Drachentöter nnd die beiden gehar-
nischtcn Rittcr zu Pferde am Eingang

der deutschen Abteilung, kraftvolle
Hüter eines künstlerischen Hortes, der
sich hie und da noch als ungeschliffener
Diamant erweist. Auf der Obcrflüche
liegen ferner etwas Plumpheit, sowie
etwas Butzenscheibenscntimcntalität.
Die Verkörperung des spießbürgerlichen
Deutschlands ist noch immer das banal
sinnige nnd minnige „Altdeutsch". Doch
wir haben ein Gegenstück in Frank-
reich;diedortigeOberflächenerscheinung
ist das banale Rokoko, ebenso unan-
genehm, wcil ebenso seelenlos und
ebenso zweckwidrig. Es zwingt uns
unnütze Dinge auf, die gar nicht mit
den sonstigen Utilitätsgrundsätzen des
Franzosen in Einklang stehen. Das
schlechte Rokoko ist tppisch für das
oberslächliche Frankreich, gleichwie
die „graväes mLLÜines", großen
marktschreierischen Bilder der Ein-
trittssäle der litxpositiov äeeenvLle
typisch sind für das aufgeregte, effekt-
und skandalsüchtige Volkselement, cine
weitere Erscheinung, die bei unseren
Nachbarn störend an die Oberfläche
tritt. A. Brilnuemanu.

(Schluß folgt.)

Ansre Ooten und Mlder.

Unsre Notcnbeilage verfolgt diesmal einen dreifachen Zweck. Zunächst
soll sie unsern Lesern wieder eine Anregung zur Beschäftigung mit der Ballade
geben, indem sie ihnen K arl Lo ew es „Tom den Reimer" in die Hand gibt.
Das frühlingssrische Stück, das, so beliebt es besonders durch Gura ist, doch
in den üblichen Gura- und Loewe-Albums fehlt, scheint so recht für die rege
Naturstimmung der Jahreszeit zu passen. Schwierigkeiten der Auffassung ent-
hält es so gut wie keine. Bei der Einleitung bitte ich zu beachten, daß Llle-
Zretto sunve nicht xresto bedeutet. Also nicht als Geläufigkeitsetüde spielen,
sondern als melodische Figuration, bei der es nicht den Eindruck prickelnder
Unruhe, sondern eines gewissen wohligen, heiteren Behagens zu erzielen gilt,
wie's eben jemand empfindet, der zur Zeit der Sonnenglut am kühlcn Bache
rastet. Zurückhalten wird hier nicht so sehr zum Mißgriff als das Eilen. Auch
der Ansang des Gesangs ist ruhig und einfach zu halten; dann mit dem Er-
scheinen der Feenkünigin belebt sich der Vortrag, der Spieler kann ihr allmähliches
Näherkommen durch entsprechende Dynamik unschwer schildern. Bci der Stelle
Aunstwari
 
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