mit sich gekümpft, ehe wir uns an den Zimmereinrichtungen in Drcsdcn
und München ersreuen durften. Und daß nun die Freude an einem
geschmackvollen Schranke so herzlich und auch so laut geworden ist wie
an einem guten Stafseleibilde, daß wir Eckmann nicht über die
Schulter ansehen, obgleich wir Klinger habcn, das hat auch dem Theater-
triebe an einem Ende merklich Abbruch gethan. Es handelt sich wirklich
nun darum und für alle Größten und Kleinsten, die Grenzen der ver-
liehenen und vertieften Fähigkeiten kennen zu lernen und einzugestehen,
um mit gutem Recht den Wunsch üußern zu dürfen: ich will mich aus-
leben! Denn jedes kärglichste Leben hat einen Bezirk für sich, und aus-
geschachtet ist der ärmste nicht. Ferdinand Gregori.
Die Oebenvverte der Morte. 3.
Gcfiihlsuicpt unö Lrkcnntnissprnchc. Der Doppclchnrnktcr dcr
Aussage. Trügheit dcs Gesiihlsuicrtes.
Bei allen Aussagen, d. h. allen Sätzen, die irgend cinc Einsicht ver-
mitteln sollen, lassen sich zwei Klassen unterscheiden: objektive Urteile und
Werturteilc oder, ivie Windelband will, „Urte ile" und „Beurteilungen"
Sätze wie „der Würfel hat 42 Kanten", «Salz besteht aus Chlor und Natrium"
sind reine Urteile. Sie drücken einen objektiven Sachverhalt aus und nehmen
gar kcinen Bezug aus das aussagende Subjekt. Jm Gcgensatz hierzu drücken
Beurteilungen grade ein Verhältnis des Aussagenden zu Dingcn, Personcn
oder Ereignissen aus; sic sind Aeutzerungen rcaktivcr Gcfühlc, uon Lust oder
Unlust, Hoch- oder Geringschätzung, Lob oder Tadcl. „Jch preise diesc That",
„ich verehre Goethe" sind reinc Beurteilungen.
Tieser einfache Unterschied wird indessen schon dadurch verwischt, datz
sich mit den meisten Beurteilungen der Nebengedanke verknüpft, datz die ge-
äutzerte Wertung nicht eine rein persönliche sei, sondcrn auch von anderen,
vielleicht von allen Menschcn geteilt werde oder geteilt wcrden sojle. Gram-
matisch äutzert sich dies dadurch, datz aus dem Satzc der Ausdrnck für das
redende Subjekt verschwindet, und die Beurteilung ganz die Form cines Ur-
teils annimmt. Man sagt nicht: „ich lobe diese That", „ich verachte dicsen
Menschcn", sondern .die That ist löblich", „der Mensch ist vernchtlich". Doch
wird man wohl auch in solchcn Fällen meist noch von reinen Beurteilungen reden.
Ein Verbindung von Urteil und Bcurteilung stellcn jene Aussngcn dar,
deren Prädikat ein Wort ist, an das Beifall oder Mitzfallcn, Lob odcr Tadel
als Gefühlswert gebunden ist.* Sage ich „dicser Mensch lügt", so bcgründet
der begrifflichc Jnhalt des Wortes „lügen" ein Urtcil: die Merkmale dcr ab-
sichtlichen Unwahrheit werden festgestellt. Aber der mit dem Prädikat ver-
bundene Gesühlswert begründet gleichzeitig eine Beurteilung: „das ist schimpf-
lich", „das ist verwerflich". Und dieses gleichzeitige Auftreten von Urtcil und
Beurteilung ncnne ich den Dopp clcharakter der Aussage.
Betonung, stilistische Fassung und Zusammenhang der Nede gestatten
natürlich, bei Verwcndung desselben Wortes einmal die Beurteilung, dns andre
Mal das Urteil herauszuhcbcn. Man wird gegebenen Fallcs kaum zweifel-
* Man kann auch sagcn, datz jedes Urtcil insofcrn glcichzeitig einc Ve-
urteilung sei, als mit ihm der Nebengedanke verknüpft ist, „das ist wahr".
Windelband z. B. satzt „wahr" als Beurtcilungsprüdikal auf. Doch möchte ich
bei den vorliegenden Umersuchungen beiin Werturtcile nur an cinc cthische
oder ästhetische Wertschützung gedacht wissen.
Rimsrwart
eos
und München ersreuen durften. Und daß nun die Freude an einem
geschmackvollen Schranke so herzlich und auch so laut geworden ist wie
an einem guten Stafseleibilde, daß wir Eckmann nicht über die
Schulter ansehen, obgleich wir Klinger habcn, das hat auch dem Theater-
triebe an einem Ende merklich Abbruch gethan. Es handelt sich wirklich
nun darum und für alle Größten und Kleinsten, die Grenzen der ver-
liehenen und vertieften Fähigkeiten kennen zu lernen und einzugestehen,
um mit gutem Recht den Wunsch üußern zu dürfen: ich will mich aus-
leben! Denn jedes kärglichste Leben hat einen Bezirk für sich, und aus-
geschachtet ist der ärmste nicht. Ferdinand Gregori.
Die Oebenvverte der Morte. 3.
Gcfiihlsuicpt unö Lrkcnntnissprnchc. Der Doppclchnrnktcr dcr
Aussage. Trügheit dcs Gesiihlsuicrtes.
Bei allen Aussagen, d. h. allen Sätzen, die irgend cinc Einsicht ver-
mitteln sollen, lassen sich zwei Klassen unterscheiden: objektive Urteile und
Werturteilc oder, ivie Windelband will, „Urte ile" und „Beurteilungen"
Sätze wie „der Würfel hat 42 Kanten", «Salz besteht aus Chlor und Natrium"
sind reine Urteile. Sie drücken einen objektiven Sachverhalt aus und nehmen
gar kcinen Bezug aus das aussagende Subjekt. Jm Gcgensatz hierzu drücken
Beurteilungen grade ein Verhältnis des Aussagenden zu Dingcn, Personcn
oder Ereignissen aus; sic sind Aeutzerungen rcaktivcr Gcfühlc, uon Lust oder
Unlust, Hoch- oder Geringschätzung, Lob oder Tadcl. „Jch preise diesc That",
„ich verehre Goethe" sind reinc Beurteilungen.
Tieser einfache Unterschied wird indessen schon dadurch verwischt, datz
sich mit den meisten Beurteilungen der Nebengedanke verknüpft, datz die ge-
äutzerte Wertung nicht eine rein persönliche sei, sondcrn auch von anderen,
vielleicht von allen Menschcn geteilt werde oder geteilt wcrden sojle. Gram-
matisch äutzert sich dies dadurch, datz aus dem Satzc der Ausdrnck für das
redende Subjekt verschwindet, und die Beurteilung ganz die Form cines Ur-
teils annimmt. Man sagt nicht: „ich lobe diese That", „ich verachte dicsen
Menschcn", sondern .die That ist löblich", „der Mensch ist vernchtlich". Doch
wird man wohl auch in solchcn Fällen meist noch von reinen Beurteilungen reden.
Ein Verbindung von Urteil und Bcurteilung stellcn jene Aussngcn dar,
deren Prädikat ein Wort ist, an das Beifall oder Mitzfallcn, Lob odcr Tadel
als Gefühlswert gebunden ist.* Sage ich „dicser Mensch lügt", so bcgründet
der begrifflichc Jnhalt des Wortes „lügen" ein Urtcil: die Merkmale dcr ab-
sichtlichen Unwahrheit werden festgestellt. Aber der mit dem Prädikat ver-
bundene Gesühlswert begründet gleichzeitig eine Beurteilung: „das ist schimpf-
lich", „das ist verwerflich". Und dieses gleichzeitige Auftreten von Urtcil und
Beurteilung ncnne ich den Dopp clcharakter der Aussage.
Betonung, stilistische Fassung und Zusammenhang der Nede gestatten
natürlich, bei Verwcndung desselben Wortes einmal die Beurteilung, dns andre
Mal das Urteil herauszuhcbcn. Man wird gegebenen Fallcs kaum zweifel-
* Man kann auch sagcn, datz jedes Urtcil insofcrn glcichzeitig einc Ve-
urteilung sei, als mit ihm der Nebengedanke verknüpft ist, „das ist wahr".
Windelband z. B. satzt „wahr" als Beurtcilungsprüdikal auf. Doch möchte ich
bei den vorliegenden Umersuchungen beiin Werturtcile nur an cinc cthische
oder ästhetische Wertschützung gedacht wissen.
Rimsrwart
eos