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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 18 (2. Juniheft 1900)
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Gregori, Ferdinand: Theatertrieb
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0219

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auü) diese „pcdantische Fordcruug der „altcu Schulc" hat sich längst
als üverslüssig herausgestellt: ziemlich itark verhugelte Geschvpfe, Hundcrtc,
dic lispcln oder doch stets und unvermlicht Tialekt reden, durch die Nase
trompetcn, uitverständlichc Rachenlaure gurgeln, beziehen ihre Gageu wie
dic Bcgnadcten. Uud was das Talenr betrim, so ist das cin für alle
Mal da, wo man sichs einbildct. E i n Lehrer und e i n Direktor findet
sich immcr, dcr daran glaubt.

So wirken dic schönstcn Talcnte nebcn den Unsähigen im selben
dramatischcu Werke, weshalb dcnn cin fein organisierter Zuschauer im
hcutigen Thcatcr nic zu einem vollen Genusse kommt. Und die Bühnen-
lcitcr schieben iu glücklicher Urteilslosigkeit oder im Vertraucn auf dic
Zahmheit dcr kritisierenden und zahlenden Zuschauer dic allgemeinc Un-
freude an den Ausführungen klassischer Werke auf die Werke selbst. Sie
begreifcn nicht, daß ein Schauspieler, der dank kvrperlicher und sprach-
lichcr Fehler dcn vernachlässigten, stammelnden Blödsinnigen eiues neuercn
Stückcs naturwahr aus die Bühne stellt, an der kleineren Rolle eines
Shakespereschcn Hofmannes scheitern mutz.

Ocfsuet dic Augcn, ihr Kritiker, latzt euch von den Toilettcn nicht
bleudcn und vom Gebrülle haarbüschiger Gesellen nicht betäuben; latzt
cuch auch nicht vcrführcn, natürliche Gebrechen des Darstellers zur künst-
lerischen Tugcnd zu erhebcn! Lcuchtet die Mittelmätzigkeit klar an und geht
nicht mit mild vcrschleiernden.Worten übcr das Nichts ihrer Lcistungen
hinweg! Verjagt sic von dem angematzten ersten Platze uud vcrweist
sie auf die Ncbcnrollen. Daun werden die llnbegabten, die sich hier
bisher breit machten, zur innigcn Freude der Gutmeinenden von den
Brettern vcrschwinden. Freilich, dann mützten die Schauspielcr — in
wörtlichcm Sinne dezimirt werden; erst nunmehr würde ihr Stand auf
der Höhe jcdcr audcren Künsllerkorporarion stehen. Dic Kunst selbst
gemänne und dcr Schauspiclcrstand mit ihr. Tie öffentliche Ueber-
zeugung, datz uuscr Beruf der behaglichste sei, würde eiuer ernstercn
weichen, wenn die Farbcnrcibcr unsercr Kunst hintcr den Kulissen blieben
und sich uicht öffentlich versündigten. Von sclbst verlörcn sich die Aus-
wüchse, die ihr wie ein Ausiai; anhasten. Das Wort Thcatcr wird heute
im verächtlichen Sinne wcit öftcr gebraucht und vcrstnnden als im bc-
wundcrnden, es bczcichnet dic Lügenhastigkcit vicl deutlicher nls Shakc-
spercs wahrhaftigc Welt. To lange dcr Theatertrieb wic bci den
Vereinsfcrcn nur lächcrliche Seiten zeigt, ist cr auch ungefährlich, wird
er uus nicht wirklich beschäftigcn. Hier aber hat er einer ganzen Kultur-
crscheiuuug ein Lügengcsicht angeschminkt.

Solch ein Lügcnantlitz lätzt sich sreilich in stärkerer oder geringerer
Deutlichkeit an jedcm Beruf crkcnncu. Durch Protektiou und eigene
Wichtigthuerci schwindeln sich überall Nicht-Berusene hinauf, um dort
ein ewig unruhigcs Lcbcn zu führcn. Vor jeder Probe ihres Könnens
zittern sie. Und auf dem Thcater fühlcn sie sich oft iu ihrer Stellung
auch nicht wohl, und sie wünschten sich gcrn dic Zeit zurück, da sic ihr
kleineres Acmtchen tüchtig verwalteteu, — wenn sie den Thcatertricb aus-
schnltcu könntcn.

Warum ich das schrcibe? Glaubc ich au einen Wandel?

Die tapfcrcn Maler, dic sich zum Kunstgewerbc gcwcndet, haben mir
dcn Glauben geschcnkt. Nianches Malerherz hat sicherlich schweren Kampf

: Iuiiihcft itzvo

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