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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 13,2.1900

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Heft 20 (2. Juliheft 1900)
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Göhler, Georg: Eine Vollendung der Bach-Ausgabe und die neue Bach-Gesellschaft
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7960#0303

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doch hoffentlich nicht bloß bei den Festen bleibt, sondern auch das innere
musikalische Leben aus der Bewegung neue Kraft zieht. Und dann:
allerbeste Musik gibt's ja bei dieser Gelegenheit stets zu hören, kein
Sammelsurium wie auf manchem der sonstigen Musikfeste; und gegen-
über den großen Gesangswettstreiten mit Prämiierungen nach dcm Vor-
bilde der landwirtschaftlichen Ausstellungen sind solche wirkliche Tage
der Kunst doch mit Freuden zu begrüßcn. Es bleibt freilich abzu-
warten, ob sie im Publikum und dcr Tagespresse mit demselben Fieber
wcrden erwartet und gefeiert werden, wie ihre amüsanteren Geschwister,
und ob die maßgebenden Kreise sür solchc gediegene und ernste Kunst-
förderung dieselbe Teilnahme haben werden wie für Kunstsport und
Neuausstattungen. Äber wenn auch die neue Bach-Gesellschaft wie die
alte mehr im Stillen, aus eigener Kraft und durch die eifrige Thätigkeit
ihrer Führcr für das deutsche Kunstleben wirken sollte, so hoffen wir doch
auf ausreichenden Zuspruch, um dem Unternehmen eine gesicherte Grund-
lage und damit die Möglichkcit zu segensrcichem Arbeiten zu gewähr-
leisten. Mögen die vielen, die sich bei Gelegenheit seines soO- Todcs-
tages wieder ctwas lebhaftcr an die Größe der Kunst Bachs erinnern,
nun immcr häufiger zu der reichen Quelle deutscher Kunst pilgern, deren
lebendige Fülle schon Beethoven zu seinem bekannten Ausspruch veran-
laßt hat. Georg Göhler.

Lose Wlätter.

Der Fainilicntng öcr Bnchc.

Ein Kulturbild von Karl Sühle.

Jn Arnstadt, im Gasthoie „Zur güldencn Henne" versammeln sich dio
Bachc. Hinten im Frcicn, auf dem Grashofc, untcr den blühenden Kirsch-
büumcn. Jst männiglich bedacht, pünktlich und in guter Ordnung zur Stclle
zu seiu.

Einzeln und truppweise lommen immer noch welche hinzu. Allc freuen
sich dcs Wiedersehcns, schwenken schon von weitem lustig grüßcnd dcn Dreispitz
und daS blanke hispanische Rohr, schüttcln sich untercinandcr herzhaft die Hnnde,
klopfcn sich auf die Schultern. Sieh, die Herren Kantoren und Organisten
Bachischen Blutcs: glattrasierte, honette, gravitätische Herren, in blauen
oder braunen langschüßigen Galaröcken, mit großcn, runden Thalerknüpfen
dicht besctzt, brcit bordierte, gewaltige Taschenungctüme klaffen an den
Flanken. Einzelne tragcn auch stattliche, schwarze Trauermüntel hispa-
nischen Schnittes, zurückgcschlagen um die Schultern. An den Schuhcn blinken
metallene Schnallen. Und siehe die Bachischen Kunstpfeifer, meist auch mit
dem echten Familiengesicht: bicderc, gesunde Mienen, treuherzig und verschmitzt
blicken dic Augcn untcr buschigcn Braucn hervor, ctwas aufgeworfene wciche,
gutmütige Lippen, große, knochige, echt deutsche Nasen voll Kursbewußtsein,
bäuerlich breitc, fleischige Wangcn. Die jüngeren unter ihnen, Gcsellen und
Lehrlinge, tragcn Jnstrumcnte an Niemcn überm Nückcn: gewaltig lange und
dünnröhrige Trompeten, wunderlich gcwundene Hörncr und Posauncn blitzcn in
dcr Sonnc, Fagottc, spitzige Hobocn, Ouer- und Schnabelflöten, plumpe
Zinkcn, Gamben und Violen.

Sic sind gckommen, die Bache, aus allen Gaucn des Thüringer-
landes, in Arnstadt, dcm traulichen Städtlcin, hcut ihrcn Familientag abzu-

2. Iuliheft tyoo
 
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