Erschreckt von der seltsamcn Würde und dem schweren Kaliber der
uin sie werbenden philosophischen Wissenschaft, auf der andern Seite mit
Widerwillen und Ekel erfüllt von der geincinen Entartung, die dem gel-
tenden Geschmack immer verführerisch nahc liegt, geht dennoch^die Schön-
hcit ihren Weg.
Niemand hat bisher ihr Wesen so zu beschreiben vermocht, daß man
es wie einen Maßstab handhaben könnte. Zerstreute Gedanken und tiefer
gegründete llrtcile, Kritik und gelehrte Aesthetik — für den sich bestandig
wandelnden Geschmack wcnigstens sind sie alle nur verworrenes Material,
das er entweder seinem steten Neubau einfügt oder als unbrauchbaren
Schutt bei Seite wirft; wobei es denn manchmal sich ereignet, daß gerade
der Eckstein, dcr Schlußstein, ohne welchen das Gewölbe nicht zusammen-
hält, von den Bauleuten verworfen wird.
Doch über das Urteil des Zeitalters hinweg schreitet der Triumph-
zug der Schönheit. Selten hat sich das, was den Mitlebenden am
meisten gefiel, der Unsterblichkeit wcrt gezeigt. Alle Welt weih das; es
erschcint beinahe albern, dies Gehcimnis von jedermann vorzutragen;
aber, wie das den Leuten geht, — sie wissen Gott weiß was alles, ohne
doch jemals diescs Wisscn auf ihre eigene Gegenwärtigkeit auszudehnen;
was man aus der Vergangenheit lernt, pslegt man auch nur auf die
Vergangenheit anzuwenden.
Dennoch ist der Unwcrt des Zeitgeschmacks eine unvermeidliche und
allgcmeine Erscheinung.
Wcil der „Geschmack" nicht viel weniger selten ist als das Genie,
so kann die Stimine der Mitlebenden nicht entscheiden über ein Kunst-
werk. Uebcr das, was die Zeit bringt, urteilen alle und am lautesten
gewöhnlich die am wenigsten Berutenen. Aber was dicse an Masse vor-
aus habcn, das übcrwinden die Berufenen durch die Sicherheit und Be-
harrlichkeit ihres Urteils; und das schwcrer zugüngliche Schaffen der Ver-
gangenheit vollends überläßt man ernsteren Wenigen; ihrer Auslcsc
Ruiistwart Augustheft iyov
uin sie werbenden philosophischen Wissenschaft, auf der andern Seite mit
Widerwillen und Ekel erfüllt von der geincinen Entartung, die dem gel-
tenden Geschmack immer verführerisch nahc liegt, geht dennoch^die Schön-
hcit ihren Weg.
Niemand hat bisher ihr Wesen so zu beschreiben vermocht, daß man
es wie einen Maßstab handhaben könnte. Zerstreute Gedanken und tiefer
gegründete llrtcile, Kritik und gelehrte Aesthetik — für den sich bestandig
wandelnden Geschmack wcnigstens sind sie alle nur verworrenes Material,
das er entweder seinem steten Neubau einfügt oder als unbrauchbaren
Schutt bei Seite wirft; wobei es denn manchmal sich ereignet, daß gerade
der Eckstein, dcr Schlußstein, ohne welchen das Gewölbe nicht zusammen-
hält, von den Bauleuten verworfen wird.
Doch über das Urteil des Zeitalters hinweg schreitet der Triumph-
zug der Schönheit. Selten hat sich das, was den Mitlebenden am
meisten gefiel, der Unsterblichkeit wcrt gezeigt. Alle Welt weih das; es
erschcint beinahe albern, dies Gehcimnis von jedermann vorzutragen;
aber, wie das den Leuten geht, — sie wissen Gott weiß was alles, ohne
doch jemals diescs Wisscn auf ihre eigene Gegenwärtigkeit auszudehnen;
was man aus der Vergangenheit lernt, pslegt man auch nur auf die
Vergangenheit anzuwenden.
Dennoch ist der Unwcrt des Zeitgeschmacks eine unvermeidliche und
allgcmeine Erscheinung.
Wcil der „Geschmack" nicht viel weniger selten ist als das Genie,
so kann die Stimine der Mitlebenden nicht entscheiden über ein Kunst-
werk. Uebcr das, was die Zeit bringt, urteilen alle und am lautesten
gewöhnlich die am wenigsten Berutenen. Aber was dicse an Masse vor-
aus habcn, das übcrwinden die Berufenen durch die Sicherheit und Be-
harrlichkeit ihres Urteils; und das schwcrer zugüngliche Schaffen der Ver-
gangenheit vollends überläßt man ernsteren Wenigen; ihrer Auslcsc
Ruiistwart Augustheft iyov